StP 22 Nr. 1 Einkünfte aus beweglichem Vermögen
1. Allgemeines
Vermögenserträge fliessen der steuerpflichtigen Person aus dem in ihrem Eigentum bzw. in seiner Nutzniessung stehenden Vermögenswerten als Entgelt für deren Zurverfügungstellung zu. Ertrag ist der Zufluss von Mitteln, welcher die Substanz des Vermögens, aus dem er fliesst, unangetastet lässt (Richner/Frei/Kaufmann/Reuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, § 20 N 43ff.).
Gemäss § 22 StG bzw. Artikel 20 DBG sind die Erträge aus beweglichem Vermögen steuerbar, insbesondere:
Zinsen aus Guthaben;
Ausbezahlte Erträge aus rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit Einmalprämie im Erlebensfall oder bei Rückkauf, ausser wenn diese Kapitalversicherungen der Vorsorge dienen (vgl. StP 22 Nr. 2 Rückkaufsfähige Kapitalversicherung mit Einmalprämie);
Einkünfte des Inhabers aus der Veräusserung oder Rückzahlung von Obligationen mit Einmalverzinsung;
Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art einschliesslich Gratisaktien, Gratisnennwerterhöhungen und dergleichen. Ein bei der Rückgabe von Beteiligungsrechten im Sinne von Artikel 4a des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer an die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft erzielter Liquidationsüberschuss gilt in dem Jahre als realisiert, in welchem die Verrechnungssteuerforderung entsteht (vgl. dazu Transponierung StP 22a Nr. 2 Transponierung);
Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung, Nutzniessung oder sonstiger Nutzung beweglicher Sachen oder nutzbarer Rechte;
Einkünfte aus Anteilen an kollektiven Kapitalanlagen, soweit deren Gesamterträge gemäss § 67 Absatz 3 StG die Erträge aus direktem Grundbesitz übersteigen;
Einkünfte aus immateriellen Gütern.
Die Aufzählung von § 22 StG ist nicht abschliessend. Steuerbar sind grundsätzlich alle Erträge aus beweglichem Privatvermögen (Ausnahmen siehe StP 26 Nr. 1 Steuerfreie Einkünfte).
Erträge aus beweglichem Geschäftsvermögen sind nicht nach § 22 StG, sondern nach § 20 StG steuerbar (StP 20 Nr. 8 Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen).
2. Zinsen aus Guthaben
Für die Überlassung von Kapital, wie Darlehen, Bank- und Sparguthaben, Anleihensobligationen etc. fliessen der steuerpflichtigen Person Zinsen zu. Dies stellt steuerbaren Ertrag dar.
Marchzinsen auf Obligationen, die der kaufenden Person welcher der volle Zins zufliesst, der verkaufenden Person als Zinsanteil für die Zeit vergütet, für welche diese noch Besitzer des Titels war, gelten bei der verkaufenden Person als Teil des Kaufpreises und stellen bei dieser nicht steuerbaren Vermögensertrag, sondern steuerfreien Kapitalgewinn dar (Ausnahme bei Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung).
3. Rückkaufsfähige Kapitalversicherung mit Einmalprämie
Die steuerliche Behandlung von rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit Einmalprämie ist in der Steuerpraxis unter StP 22 Nr. 2 detailliert beschrieben.
4. Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung
Gemäss § 22 Ziff. 3 StG sind die Einkünfte der innehabenden Person aus der Veräusserung oder Rückzahlung von Obligationen mit Einmalverzinsung (globalverzinsliche Obligationen, Diskont-Obligationen) steuerbar. Solche Forderungen unterscheiden sich von gewöhnlichen Obligationen dadurch, dass das Nutzungsentgelt ganz oder überwiegend (mehr als die Hälfte) nicht in Form von periodischen Zinszahlungen, sondern erst am Ende der Laufzeit, entweder als Differenz zwischen dem Ausgabepreis und dem Nominalwert oder in Form eines Globalzinses fällig wird.
Bei solchen Obligationen sind die Erträge nicht nur bei der Rückzahlung, sondern auch bei der Veräusserung steuerbar (Mäusli/Oertli, Das Schweizerische Steuerrecht, S. 97f.). Vgl. auch mit StP 22 Nr. 3 Besteuerung von Optionsanleihen.
5. Erträge aus Beteiligungen
Damit sind Kapitalerträge aus Beteiligungen an juristischen Personen gemeint, da Beteiligungen an einer Personengesellschaft i.d.R. mit einer selbständigen Tätigkeit verbunden sind und damit grundsätzlich unter § 20 StG fallen.
Die Kapitalerträge umfassen alle Dividenden, Gewinnanteile und geldwerten Leistungen an die Berechtigten, soweit sie keine Rückzahlung bestehender Kapitalanteile darstellen. Als geldwerte Leistungen werden Leistungen bezeichnet, die eine juristische Person ihren Gesellschaftern, Genossenschaftern oder diesen nahestehende Personen ohne entsprechende Gegenleistung erbringt und die unter denselben Umständen einem unbeteiligten, aussenstehenden Dritten nicht oder nicht in gleichem Umfang gewährt worden wären (Mäusli/Oertli, a.a.O., S. 99).
Zu den geldwerten Vorteilen gehören u.a. auch Gratisaktien, welche sowohl beim Bund als auch kantonal steuerbar sind.
Bezüglich der privilegierten Besteuerung von Erträgen aus qualifizierenden Beteiligungen im Privatvermögen wird verwiesen auf StP 22 Nr. 6 Teilbesteuerung der Einkünfte aus qualifizierenden Beteiligungen im Privatvermögen.
6. Nutzung beweglicher Sachen
Der aus Vermietung, Verpachtung, Nutzniessung oder sonstiger Nutzung beweglicher Sachen oder nutzbarer Rechte erzielte Ertrag ist steuerbar.
7. Anteile an kollektiven Kapitalanlagen
7.1. Grundsatz
Die Besteuerung richtet sich nach dem ESTV-Kreisschreiben Nr. 25 "Besteuerung kollektiver Kapitalanlagen und ihrer Anleger". Demnach sind Einkünfte aus Anteilen an kollektiven Kapitalanlagen sowohl bei den Staats- und Gemeindesteuern als auch der direkten Bundessteuer grundsätzlich als Vermögenserträge steuerbar.
7.2. Kollektive Kapitalanlagen mit direktem Grundbesitz
Halten kollektive Kapitalanlagen direkt Grundbesitz, werden sie den juristischen Personen gleichgestellt und unterliegen somit der Gewinnsteuer (§ 67 Abs. 3 StG), obwohl kollektive Kapitalanlagen nach schweizerischem Recht grundsätzlich keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt.
Um eine wirtschaftliche Doppelbelastung zu vermeiden, werden daher die Erträge aus direktem Grundbesitz beim Anteilsinhaber nicht besteuert. Besteuert wird in diesem Fall nur der die Erträge aus direktem Grundbesitz übersteigende Ertrag.
7.3. Kollektive Kapitalanlagen mit Wertzuwachs/Thesaurierung
Bei kollektiven Kapitalanlagen, welche reglementarisch einen Wertzuwachs bzw. eine Thesaurierung vorsehen, wird ein Teil des Gewinns zu Anlagezwecken zurückbehalten und nicht ausgeschüttet.
Der Anteilsinhaber realisiert die zurückgehaltenen Erträge im Zeitpunkt der Gutschrift (Kreisschreiben Nr. 25, Ziff. 4.2). Mit der entsprechenden Verbuchung erwirbt der Anleger eine Forderung auf einen Anteil am Ertrag und damit einen festen Rechtsanspruch im Sinne des Realisationsbegriffs.
Der Verzicht auf die Ausschüttung gemäss Reglement des Wertzuwachsfonds ist für den Realisationszeitpunkt irrelevant, da darin nicht ein Verzicht auf den Ertrag enthalten ist. Der zurückbehaltene Ertrag wird somit dem Anteilsinhaber im Zeitpunkt der Verbuchung beim Fonds als steuerbarer Vermögensertrag zugerechnet.
8. Einkünfte aus immateriellen Gütern
Werden Drittpersonen immaterielle Güter wie Urheberrechte, Erfindungspatente, Muster, Modelle und Marken zur Nutzung überlassen, so stellen die daraus fliessenden Erträge steuerbaren Vermögensertrag dar.
9. Erträge von Erneuerungsfonds von Stockwerkeigentümergemeinschaften
Zinserträge aus dem Erneuerungsfonds von Stockwerkeigentümergemeinsamen im Sinn von Artikel 712a ff. ZGB sind anteilsmässig bei den einzelnen Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer steuerbar. Auf die Besteuerung der Anteile von steuerpflichtigen Personen am Erneuerungsfonds sowie deren Erträge wird verzichtet, weshalb auch eine Deklaration im Wertschriftenverzeichnis entfällt.
Die Rückforderung allfälliger Verrechnungssteuern richtet sich nach Ziffer 3.3 in StP 22 Nr. 5 Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei natürlichen Personen.
10. Kryptowährungen
Unter Umständen sind Entschädigungen in Kryptowährungen auch als Ertrag aus beweglichem Vermögen zu betrachten. Die entsprechende Qualifikation richtet sich nach den Ausführungen des Arbeitspapiers der ESTV über Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICOs/ITOs) als Gegenstand der Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben.