StP 20 Nr. 8 Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen
1. Allgemeines
Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit gehören gemäss § 20 Absatz 2 StG bzw. Artikel 18 Absatz 2 DBG auch Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen durch dessen:
Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung;
Überführung in das Privatvermögen oder in ausländische Betriebe oder Betriebsstätten (steuersystematische Realisation).
Allen diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass dadurch die stillen Reserven offengelegt bzw. realisiert werden. Die Bildung von stillen Reserven (z.B. mittels Abschreibungen) wird - falls sie steuerlich zugelassen wird - steuermindernd vorgenommen. Dies rechtfertigt daher eine Besteuerung zum Zeitpunkt der Realisierung.
2. Abgrenzung Geschäfts- und Privatvermögen
Im Gegensatz zum Geschäftsvermögen sind Wertschwankungen des Privatvermögens ohne Einfluss auf das steuerbare Einkommen. Auf dem Privatvermögen erzielte Kapitalgewinne und Wertvermehrungen unterliegen nicht der Einkommenssteuer. Dementsprechend bleiben auch die privaten Kapitalverluste und Wertverminderungen unberücksichtigt. Der Zuteilung von Vermögenswerten zum Geschäfts- oder Privatvermögen kommt somit im Steuerrecht eine erhebliche Bedeutung zu.
Als Geschäftsvermögen gelten grundsätzlich alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen (§ 20 Abs. 3 StG bzw. Art. 18 Abs. 2 DBG). Detaillierter beschrieben sind die Abgrenzungskriterien zwischen Privat- und Geschäftsvermögen in der Weisung StP 43 Nr. 4 Abgrenzung Geschäfts- und Privatvermögen.
3. Veräusserung, Verwertung und buchmässige Aufwertung
Bei einer Veräusserung wird das entsprechende Aktivum durch Verkauf bzw. Tausch aus dem Geschäftsvermögen ausgeschieden und in der Regel auf einen neuen Eigentümer übertragen. Der häufigst anzutreffende Veräusserungstatbestand ist der Verkauf.
Der Begriff „Verwertung“ ist weit zu fassen. Er steht für alle sog. Entstrickungstatbestände, durch welche stille Reserven so verschoben werden, dass die bisher aufgeschobene Besteuerung später nicht mehr erfolgen kann.
Bei einer buchmässigen Aufwertung werden stille Reserven dadurch offengelegt, dass der Buchwert eines Aktivums erhöht wird. Die Differenz unterliegt der Einkommensbesteuerung.
4. Steuersystematische Realisation
Mit der Überführung eines Vermögenswertes vom Geschäftsvermögen ins Privatvermögen (Privatentnahme) werden steuersystematisch stille Reserven realisiert. Eine Privatentnahme hat zu Verkehrswerten zu erfolgen („dealing at arm’s length“).
Mit der Verlegung von Vermögenswerten des Geschäftsvermögens ins Ausland liegt ebenfalls eine steuersystematische Realisation vor. Dem inländischen Fiskus wird Steuersubstrat mindestens im Umfang der darauf gebildeten stillen Reserven entzogen, sodass diese Transaktion mit Einkommenssteuerfolgen verbunden ist.
5. Steuerliche Behandlung von Grundstücken im Geschäftsvermögen
5.1. Allgemeines
Im Kanton Thurgau gilt bei Kapitalgewinnen auf Grundstücken im Geschäftsvermögen natürlicher Personen das dualistische System. Der gesamte realisierte Kapitalgewinn auf Grundstückgewinnen unterliegt somit der Einkommenssteuer.
5.2. Überführung vom Privat- ins Geschäftsvermögen
Die Überführung eines Grundstücks vom Privat- ins Geschäftsvermögen unterliegt gemäss § 127 Absatz 2 Ziffer 3 StG der Grundstückgewinnsteuer. Dabei wird die Differenz zwischen dem "ortsüblich erzielbarem Marktwert" (siehe § 31a Abs. 1 StV) und den Anlagekosten mit der Grundstückgewinnsteuer erfasst. Der Überführungswert gilt neu als Einkommenssteuerwert im Geschäftsvermögen (§ 31a Abs. 2 StV).
5.3. Veräusserung
Fällt bei der Veräusserung eines Geschäftsgrundstücks einer natürlichen Person ein Kapitalgewinn an, unterliegt dieser sowohl bei den Staats- und Gemeindesteuern als auch bei der direkten Bundessteuer vollumfänglich der Einkommenssteuer (mit den entsprechenden AHV-Beitragsfolgen).
Gemäss § 20 Absatz 4 StG bzw. Artikel 18 Absatz 4 DBG werden aber die Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken den steuerbaren Einkünften nur bis zur Höhe der Anlagekosten zugerechnet.
5.4. Privatentnahme
Bei der Privatentnahme liegt keine eigentliche Handänderung vor, weil das Grundstück nach wie vor im Eigentum des bisherigen Einzelfirmainhabers oder Personengesellschafters verbleibt. Eine Überführung vom Geschäfts- ins Privatvermögen stellt daher lediglich aus steuersystematischen Gründen einen Realisationstatbestand dar.
Auch bei der Privatentnahme eines Geschäftsgrundstücks unterliegt der gesamte Kapitalgewinn (wieder eingebrachte Abschreibungen und Wertzuwachsgewinn) grundsätzlich sowohl bei den Staats- und Gemeindesteuern als auch bei der direkten Bundessteuer als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit vollumfänglich der Einkommenssteuer (mit den entsprechenden AHV-Beitragsfolgen). Der Wertzuwachsgewinn ist die Differenz zwischen dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Überführung und den Anlagekosten.
Wird eine Liegenschaft des Anlagevermögens ins Privatvermögen überführt, kann die steuerpflichtige Person nach § 20a Absatz 3 StG bzw. Artikel 18a Absatz 1 DBG für den Wertzuwachsgewinn einen Steueraufschub beantragen (vgl. StP 20a Nr. 1 Steueraufschub bei Verpachtung oder Erbteilung Geschäftsbetrieb sowie bei Überführung Geschäftsgrundstück ins Privatvermögen).
5.5. Besitzesdauer
Weder die Überführung eines Grundstücks vom Privat- ins Geschäftsvermögen noch eine Privatentnahme unterbrechen die Besitzesdauer. Damit wird auch der Zeitraum, in der ein Grundstück dem Geschäftsvermögen zugehörig war, an die Besitzesdauer gemäss § 136 StG angerechnet.
Beispiel
Ein Grundstück wird in 2020 vom Privat- ins Geschäftsvermögen überführt. Zum Überführungszeitpunkt stand das Grundstück bereits seit 2015 im Eigentum der selbständigerwerbenden Person. Im 2035 erfolgt in Bezug auf dieses Grundstück eine Privatentnahme. Im 2036 wird das Grundstück veräussert.
Die massgebliche Besitzesdauer wird ab 2015 berechnet. Die Einbringung ins Geschäftsvermögen und die Privatentnahme werden nicht als besitzesdauerunterbrechende Transaktionen qualifiziert.
6. Verpachtung oder Erbteilung Geschäftsbetrieb
Nach § 20a Absatz 1 StG und Artikel 18a Absatz 2 DBG gilt die Verpachtung eines Geschäftsbetriebs nur auf Antrag der steuerpflichtigen Person als Überführung in das Privatvermögen (vgl. StP 20a Nr. 1 Steueraufschub bei Verpachtung oder Erbteilung Geschäftsbetrieb sowie bei Überführung Geschäftsgrundstück ins Privatvermögen).
Wird bei der Erbteilung der Geschäftsbetrieb nicht von allen Erben fortgeführt, kann nach § 20a StG und Artikel 18a Absatz 3 DBG die Besteuerung von stillen Reserven aufgeschoben werden (vgl. StP 20a Nr. 1 Steueraufschub bei Verpachtung oder Erbteilung Geschäftsbetrieb sowie bei Überführung Geschäftsgrundstück ins Privatvermögen).