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StP 39 Nr. 3 Fälligkeit der Rentenansprüche und Kapitalleistungen aus Vorsorge

1. Allgemeines

Die Fälligkeit von Rentenansprüchen und Kapitalleistungen aus Vorsorge ist massgebend bei der Abgrenzung

Für die Feststellung des Zeitpunktes, ab dem ein Wertzufluss versteuert werden muss, ist massgebend, wann der Steuerpflichtige den Rechtsanspruch erworben hat bzw. wann er über diesen wirtschaftlich tatsächlich verfügen kann.

2. Fälligkeit der Leistungen aus beruflicher Vorsorge (Säule 2)

2.1. Austrittsleistung bei Barauszahlungsgrund

Gemäss Artikel 2 Absatz 3 Satz 1 FZG wird die Austrittsleistung mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig (BGE 135 V 13). Sind zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen zur Barauszahlung erfüllt (z.B. infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit), ist nicht einzusehen, weshalb dieser Anspruch noch zu unsicher sein sollte, um steuerlich als realisiert gelten zu können. Im Normalfall ist daher - wie bei den Kapitalauszahlungen im Vorsorgefall Alter (vgl. Ziff. 2.2.) – bei solchen Sachverhalten auf die Fälligkeit und nicht auf die tatsächliche Auszahlung abzustellen.

Weitere Erwägungen sind dort anzustellen, wo das Auszahlungsbegehren nach dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung gestellt wird, sowie in Fällen, wo die versicherte Person die Schweiz definitiv verlässt (Art. 5 Abs. 1 lit. a FZG).

2.2. Altersleistungen aus Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers

Altersleistungen in Form von Kapitalleistungen gelten mit dem Eintritt des Vorsorgefalls als realisiert. Bei Kapitalleistungen, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt werden, tritt der massgebende Zeitpunkt des Vorsorgefalls auf die „logische Sekunde“ nach Ablauf des letzten Arbeitstages ein (Reich, in: Locher/ Rolli/Spori (Hrsg.), Festschrift Ryser Bern 2005, 196).

Der Anspruch auf Leistungen aus der beruflichen Vorsorge entsteht nicht bereits am letzten Arbeitstag. Vielmehr dauert der Versicherungsschutz aus beruflicher Vorsorge bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses unverändert an. Daraus folgt, dass eine Person, welche am letzten Arbeitstag verstirbt, keinen Anspruch auf Altersleistungen erworben hat. An dessen Stelle tritt allenfalls eine Witwen- bzw. Waisenrente für Hinterbliebene.

Bei vorzeitiger Pensionierung sind Altersleistungen nur geschuldet, wenn das Arbeitsverhältnis und das damit verbundene (obligatorische) Versicherungsverhältnis vollständig beendet sind, ohne dass ein (anderes) versichertes Ereignis (Tod oder Invalidität) eingetreten ist. Die Altersleistungen werden mithin frühestens am ersten Tag fällig, an dem kein Versicherungsschutz mehr besteht.

2.3. Altersleistung aus Freizügigkeitskonto oder Freizügigkeitspolice

2.3.1. Grundsatz ab Steuerperiode 2024

Nach Artikel 16 Absatz 1 der Freizügigkeitsverordnung (FZV) dürfen Altersleistungen von Freizügigkeitskonten oder Freizügigkeitspolicen frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Referenzalters ausbezahlt werden. Sie werden bei Erreichen des Referenzalters fällig. Derzeit gilt im BVG das Referenzalter 65 für Männer und Frauen.

Weist die versicherte Person nach, dass sie weiterhin erwerbstätig ist, so kann sie den Leistungsbezug höchstens fünf Jahre über das Erreichen des Referenzalters hinaus aufschieben.

Artikel 2 Absatz 1bis FZG sieht keinen Mindestumfang der Erwerbstätigkeit vor. Nach Ansicht des BSV setzt die Weiterführung der Erwerbstätigkeit im Sinne von Artikel 2 Absatz 1bis FZG voraus, dass der Umfang der bisherigen und jener der neuen Erwerbstätigkeit in keinem groben Missverhältnis zueinanderstehen. Würde bereits ein gegenüber der früheren Tätigkeit sehr geringfügiges Arbeitspensum ausreichen, damit die versicherte Person anstelle der Altersrente die Austrittsleistung wählen kann, bestünde ein gewisses Missbrauchspotential: Es ist nicht auszuschliessen, dass Versicherte die Arbeitszeitreduktion nur aus dem Grund vornehmen würden, um die Kapitaloptionsbestimmungen ihrer Pensionskasse zu umgehen. Diese Möglichkeit zu schaffen entspricht indessen nicht dem gesetzgeberischen Willen. So ist das BSV der Auffassung, dass zum Beispiel bei einer Reduktion des Pensums von 80-100% auf weniger als 20% die Gefahr eines solchen Missbrauchs sicher besteht (BSV-Mitteilungen Nr. 115 Rz 716 Ziffer 3).

Gemäss Freizügigkeitsgesetz besteht grundsätzlich kein Zwang auf eine vorzeitige Auszahlung der Altersleistung. Dies steht im Einklang mit dem BVG, wonach jemand, der die reglementarischen Voraussetzungen für eine vorzeitige Pensionierung erreicht, seine Altersleistungen aus Freizügigkeitsverträgen abrufen kann, hierzu aber nicht verpflichtet ist. Daher können Freizügigkeitsguthaben grundsätzlich ohne Erwerbstätigkeit bis zum Erreichen des Referenzalters nach AHVG ohne Erwerbstätigkeit und bei weitergeführter Erwerbstätigkeit bis maximal fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters auf Freizügigkeitskonti-/policen belassen werden, ohne dass eine Besteuerung erfolgt. Mit Aufgabe der Erwerbstätigkeit bzw. spätestens fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters wird das Freizügigkeitsguthaben aber ohne Auszahlung fällig bzw. steuerbar.

2.3.2. Übergangsbestimmung

Die neue Verordnungsbestimmung ist auf den 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Diese Neuregelung trifft demnach auch nichterwerbstätige Personen, welche bei Inkraftsetzung bereits das Referenzalter erreicht haben oder es bald erreichen. Sie hatten keine Zeit mehr, ihre Altersplanung so kurzfristig anzupassen. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, hat der Verordnungsgeber eine Übergangsbestimmung aufgenommen.

Personen, die ihre Altersleistungen nach Artikel 16 Absatz 1 in den Jahren 2024 bis 2029 beziehen müssten, weil sie das Referenzalter erreichen oder bereits überschritten haben, und die nicht mehr erwerbstätig sind, können die Auszahlung dieser Leistungen bis zum 31. Dezember 2029, höchstens aber fünf Jahre über das Erreichen des Referenzalters hinaus, aufschieben.

2.3.3. Grundsatz bis und mit Steuerperiode 2023

Nach Artikel 16 Absatz 1 der Freizügigkeitsverordnung (FZV) durften bis und mit der Steuerperiode 2023 Altersleistungen von Freizügigkeitskonten oder Freizügigkeitspolicen frühestens fünf Jahre vor und bis spätestens fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters (Männer 65, Frauen 64) gemäss Artikel 13 Absatz 1 BVG ausbezahlt werden. Mit Ablauf der fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters wurde das Freizügigkeitsguthaben aber ohne Auszahlung fällig bzw. steuerbar.

2.3.4. Mehrere Freizügigkeitskonti/-policen

Abweichend zu beurteilen ist es, wenn für die gleiche Person mehrere Freizügigkeitskonti/-policen bestehen, weil entgegen Artikel 4 Absatz 2bis FZG die Vorsorgegelder nicht zusammengeführt worden sind. Wird diesfalls die Altersleistung für ein Freizügigkeitskonto bzw. eine Freizügigkeitspolice ausbezahlt, werden auf diesen Zeitpunkt hin sämtliche anderen noch bestehenden Freizügigkeitsguthaben fällig bzw. besteuert. Damit im Zusammenhang stehendes Vermögen sowie die Erträge daraus unterliegen ab diesem Zeitpunkt der Einkommens- und Vermögenssteuer (auch wenn die entsprechenden Guthaben noch nicht ausbezahlt worden sind).

2.3.5. Verstoss gegen Vorsorgerecht / Steuerumgehung

Eine rückwirkende Besteuerung erfolgt, wenn die Eröffnung eines Freizügigkeitskontos bzw. einer Freizügigkeitspolice infolge Verstoss gegen das Vorsorgerecht von vorneherein nicht zulässig war resp. wenn die Übertragung eines bestehenden Vorsorgekapitals (Kontos) nicht im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 oder Artikel 4 Absatz 2bis FZG erfolgte (vgl. BSV-Mitteilungen über die gebundene Vorsorge Nr. 115, Rz 716 und Nr. 122, Rz 783).

Ebenfalls eine rückwirkende Besteuerung erfolgt beim Vorliegen einer Steuerumgehung.

Beispiele

Vorsorgerechtlich nicht zulässig ist die Errichtung eines Freizügigkeitskontos bzw. einer Freizügigkeitspolice, wenn der Vorsorgefall (Erreichen der Altersgrenze, Tod, Invalidität) gemäss BVG oder Vorsorgereglement eingetreten ist.

Verlassen Versicherte die Vorsorgeeinrichtung zwischen dem frühest möglichen (58 Jahre) und dem ordentlichen/reglementarischen Rentenalter, so kann aus den Gründen „Weiterführung der Erwerbstätigkeit“ oder „Arbeitslosigkeit“ ein Freizügigkeitskonto/-police eröffnet werden (Art. 2 Abs. 1bis FZG). Hat die versicherte Person in der Folge weder eine neue Stelle angetreten, noch Taggelder aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, besteht Anspruch auf eine Altersleistung und nicht auf eine Austrittsleistung, sofern das Vorsorgereglement einen vorzeitigen Altersaustritt vorsieht. Die Errichtung des Freizügigkeitskontos bzw. der Freizügigkeitspolice mit der Absicht, das Vorsorgekapital bis zum Alter 69/70 (Art. 16 Abs. 1 FZV) stehen zu lassen, ist somit nicht zulässig. Die Vorsorge ist diesfalls aus steuerlicher und vorsorgerechtlicher Optik bereits im Zeitpunkt der Erwerbsaufgabe abgeschlossen (Eintritt Vorsorgefall infolge Erreichen der Altersgrenze). Daher erfolgt rückwirkend auf diesen Zeitpunkt hin eine Besteuerung.
Erfolgt kurz vor der Erwerbsaufgabe ein BVG-Einkauf, und ist aufgrund der dreijährigen Sperrfrist nach Artikel 79b Absatz 3 BVG ein Kapitalbezug des Vorsorgeguthabens steuerlich noch nicht möglich, ist es unzulässig, die Gelder bis zum Fristablauf auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice zu überweisen. Aufgrund des vorgängig beschriebenen Eintritts des Vorsorgefalls per Aufgabe der Erwerbstätigkeit wird diesfalls neben der rückwirkenden Besteuerung auch der BVG-Einkauf infolge Sperrfristverletzung verweigert.

3. Fälligkeit von Guthaben aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)

3.1. Grundsatz

Gemäss Artikel 3 der Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV3; SR-Nr. 831.461.3) dürfen Altersleistungen frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Referenzalters der AHV ausgerichtet werden. Die Fälligkeit der ausgerichteten Leistung tritt ein, sobald das Auszahlungsbegehren des Vorsorgenehmers bei der Bankstiftung eingeht. Bei Versicherungslösungen wird immer ein Endalter festgelegt. Die Fälligkeit der Leistung tritt in diesem Fall am Tag des Erreichens des Endalters ein.

Erfolgt die Leistungsausrichtung gestützt auf das Erreichen des Referenzalters, tritt die Fälligkeit an dem Tag ein, welcher auf die Vollendung des Referenzalters folgt.

Weist der Vorsorgenehmer nach, dass er weiterhin erwerbstätig ist, kann der Bezug der Altersleistung gemäss Artikel 3 Absatz 1 BVV3 bis höchsten fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters der AHV aufgeschoben werden. Die Fälligkeit der Altersleistung tritt in einem solchen Fall mit endgültiger Aufgabe der Erwerbstätigkeit ein, spätestens aber fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters.

Unerheblich ist, ob die Auszahlung zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist. Massgebend ist vielmehr, dass der Steuerpflichtige gemäss den gesetzlichen Bestimmungen darüber wirtschaftlich tatsächlich verfügen kann. Der anwartschaftliche Charakter des Vorsorgeguthabens fällt dahin. Dies gilt für alle Guthaben aus der Säule 3a, mithin auch für fondsgebundene.

Hat ein Steuerpflichtiger trotz Fälligkeit über ein Fondsguthaben aus der Säule 3a noch nicht verfügt, erfolgt die Besteuerung dieses Guthabens zum Marktwert am Fälligkeitsdatum. Mit der Fälligkeit gehören Vorsorgeguthaben zur freien Vorsorge (Säule 3b), weshalb sie ab diesem Zeitpunkt der Vermögenssteuer und die Zinsen daraus der Einkommenssteuer unterliegen.

3.2. Übertrag von Konten/Policen der Säule 3a während fünf Jahre vor Erreichen des Referenzalters nach AHVG

Grundsätzlich ist die Übertragung des Vorsorgeguthabens einer Säule 3a in eine andere Säule 3a auch während fünf Jahren vor Erreichen des Referenzalters ohne Eintritt der Fälligkeit bzw. ohne Besteuerungsfolgen möglich.

Wurde die Fälligkeit einer Säule 3a-Versicherungspolice vertraglich vereinbart, ist eine Übertragung der Leistung nach deren Fälligkeit auf eine andere Säule 3a nicht mehr zulässig. Das Vorsorgeguthaben ist ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit steuerbar.

Sofern die versicherte Person weiter erwerbstätig ist, können Säule 3a-Versicherungspolicen vor Vertragsablauf verlängert werden. Die Verlängerung ist längstens bis fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters zulässig (vgl. Ziff. 3.1.). Die Besteuerung von rechtzeitig verlängerten Versicherungspolicen erfolgt zum Zeitpunkt der (neuen) Fälligkeit, spätestens aber fünf Jahre nach Erreichen des Referenzalters.


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