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StP 192 Nr. 1 Zwangsvollstreckung

1. Voraussetzungen

1.1. Allgemeines

Wird der Steuerbetrag trotz Mahnung nicht bezahlt, wird die steuerpflichtige Person betrieben (§ 192 Abs. 1 StG), sofern kein Stundungs- oder Erlassverfahren hängig ist. Voraussetzung für die Betreibung ist (kumulativ), dass

  • die Steuerforderung fällig geworden,

  • die Zahlungsfrist abgelaufen und

  • der Steuerpflichtige gemahnt worden ist.

Steuerforderungen können, wie andere öffentlich-rechtliche Forderungen auf Geldleistung grundsätzlich nur auf Pfändung betrieben werden. Dies gilt insbesondere auch für steuerpflichtige Personen, welche für andere Forderungen der Konkursbetreibung unterliegen (Art. 39 SchKG).

Eine Ausnahme hiervon gilt für die im SchKG vorgesehenen Fälle, in denen die Bezugsbehörde ohne vorgängige Betreibung beim Gericht die Konkurseröffnung gegen einen Schuldner erwirken kann, namentlich bei unbekanntem Aufenthalt, Zahlungsflucht, betrügerischen Handlungen zum Nachteil der Gläubiger oder Zahlungseinstellung (Art. 190 SchKG). Hat die Bezugsbehörde jedoch Kenntnis davon, dass die steuerpflichtige Person in der Schweiz über Vermögen verfügt, so wird diesfalls eher ein Sicherstellungsverfahren (Arrestverfahren) eingeleitet (vgl. StP 196 Nr. 1 Sicherstellung/Arrest).

Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Betreibung auf Pfändung besteht bei rechtskräftigen Pfandrechtsentscheiden (vgl. StP 198 Nr. 1 Gesetzliches Grundpfandrecht), bei deren Vorliegen eine Betreibung auf Pfandverwertung eingeleitet werden muss.

1.2. Mahnung

Die Mahnung kann durch persönlichen Brief oder durch Bekanntgabe von Fälligkeit und Aufforderung zur Zahlung im amtlichen Publikationsorgan der Gemeinde erfolgen (§ 192 Abs. 2 StG). Mit der Mahnung wird die säumige steuerpflichtige Person unter Betreibungsandrohung aufgefordert, innert einer angemessenen Frist die ausstehenden Steuern zu entrichten.

Hat die steuerpflichtige Person keinen Wohnsitz in der Schweiz oder wurde ein Arrest gelegt, kann die Betreibung ohne vorgängige Mahnung eingeleitet werden (§ 192 Abs. 3 StG).

2. Betreibungsverfahren

Das Betreibungsverfahren richtet sich wie bei allen anderen Forderungen nach den Bestimmungen des SchKG. Die Bezugsbehörde stellt beim zuständigen Betreibungsamt ein Betreibungsbegehren.

Darauf wird der steuerpflichtigen Person ein Zahlungsbefehl zugestellt. Sie hat danach die Möglichkeit, gegen die Betreibung Rechtsvorschlag zu erheben. Der Rechtsvorschlag muss nicht begründet werden.

Bei Ehepaaren in ungetrennter Ehe kann das Betreibungsverfahren gegen den einen oder den anderen Ehepartner über den ganzen Steuerbetrag eingeleitet werden (Solidarhaftung gemäss § 16 Abs. 1 StG). Ist ein Ehepartner indes zahlungsunfähig, haftet jeder Ehepartner nur für seinen Anteil an der Gesamtsteuer. Dasselbe gilt auch bei nachträglicher rechtlicher oder tatsächlicher Trennung der Ehegatten (vgl. StP 16 Nr. 1 Solidarhaftung der Ehegatten und Kinder sowie von Personen in eingetragener Partnerschaft).

Die vorgenannten Ausführungen gelten sinngemäss auch für Partnerinnen oder Partner in eingetragener Partnerschaft (vgl. StP 12 Nr. 1 Einkommen und Vermögen von Ehegatten sowie von Personen in eingetragener Partnerschaft).

Nach Beseitigung des Rechtsvorschlags (siehe hierzu Ziffer 3) oder falls kein Rechtsvorschlag erhoben worden ist, kann die Betreibung durch Stellen des Fortsetzungsbegehrens fortgesetzt werden (Art. 88 Abs. 1 SchKG). Der Zahlungsbefehl hat eine Gültigkeit von einem Jahr ab Zustellung (die Dauer des Rechtsöffnungsverfahrens wird nicht mitgerechnet).

Das Betreibungsamt wird gestützt auf das Fortsetzungsbegehren unverzüglich die Pfändung vornehmen (Art. 89 SchKG). Allenfalls ist nach Erhalt der Pfändungsurkunde noch ein Verwertungsbegehren gemäss Artikel 116 Absatz 1 SchKG zu stellen. Dabei sind die Fristen gemäss Artikel 116 Absatz 1 SchKG zu beachten. Erwerbseinkommen wird gestützt auf Artikel 93 Absatz 2 SchKG maximal für die Dauer eines Jahres gepfändet. In der Regel ist bei einer Lohnpfändung kein Verwertungsbegehren zu stellen.

Ist die Pfändung nicht oder nur teilweise erfolgreich, wird im Umfang des ungedeckten Teils der betriebenen Forderung ein Verlustschein ausgestellt (Art. 149 Abs. 1 SchKG). Gestützt auf den Verlustschein kann während 6 Monaten seit Zustellung ohne neuen Zahlungsbefehl ein neues Fortsetzungsbegehren gestellt werden (Art. 149 Abs. 3 SchKG).

Das Vorliegen eines (Pfändungs-)Verlustscheins stellt einen Arrestgrund im Sinn von Artikel 271 Absatz 1 Ziffer 5 SchKG dar.

3. Rechtsvorschlag / Rechtsöffnungsverfahren

3.1. Rechtsvorschlag

Mit dem Rechtsvorschlag wird die Betreibung unterbrochen (Art. 78 Abs. 1 SchKG). Das Rechtsöffnungsverfahren dient dazu, den Rechtsvorschlag zu beseitigen, indem gegenüber dem zuständigen Gericht die Vollstreckbarkeit der betriebenen Forderung nachgewiesen wird (sog. definitive Rechtsöffnungstitel).

Thurgauer Steuerentscheide gemäss § 192 Absatz 4 StG gelten gestützt auf die ZPO (Art. 335 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 81 Abs. 1 SchKG) auch vor ausserkantonalen Gerichten als definitive Rechtsöffnungstitel im Sinn von Artikel 80 SchKG.

Die steuerpflichtige Person kann im Rechtsöffnungsverfahren nur einwenden, die Steuerforderung sei bezahlt (Tilgung) oder erlassen worden oder sie sei gestundet. Ferner kann sie die Einrede der Verjährung erheben (Art. 81 Abs. 1 SchKG).

Als Rechtsöffnungstitel gelten nur rechtskräftige Verfügungen. Noch nicht in Rechtskraft erwachsene Verfügungen sind nicht vollstreckbar; sie können jederzeit mit einem Rechtsmittel angefochten werden. Damit sich das Gericht von der Rechtskraft der zu vollstreckenden Steuerentscheide überzeugen kann, sind ihm entsprechende Rechtskraftbescheinigungen einzureichen.

Gemäss Artikel 74 Absatz 2 SchKG kann auch ein Teilrechtsvorschlag erhoben werden, d.h. nur ein Teil der betriebenen Forderung bestritten werden. Diesfalls kann für den nicht bestrittenen Teil der Forderung die Betreibungsfortsetzung erfolgen (Art. 78 Abs. 2 SchKG).

3.2. Rechtsöffnungsverfahren

Das Rechtsöffnungsverfahren ist als summarisches Verfahren ausgestaltet (Art. 251 Bst. a ZPO). Das Rechtsöffnungsverfahren wird durch das Gesuch des Gläubigers eingeleitet (Art. 80 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 252 Abs. 1 ZPO). Der Schuldner kann sich hierzu vernehmen lassen, wobei Art. 253 ZPO auch die Möglichkeit einer mündlichen Stellungnahme (d.h. Verhandlung) vorsieht.

Rechtsöffnungsgesuche sind beim (erstinstanzlichen) Gericht des Betreibungsortes (im Kanton Thurgau Bezirksgericht) einzureichen (Art. 84 Abs. 1 SchKG). Gestützt auf § 20 des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege vom 17. Juni 2009 (ZSRG; RB 271.1) wirken die Berufsrichter als Einzelrichter im Summarverfahren.

Gemäss Artikel 130 Absatz 1 ZPO ist das Rechtsöffnungsgesuch dem zuständigen Gericht in Papierform einzureichen und kann neu grundsätzlich auch elektronisch eingereicht werden. Das Gesuch ist wie bisher zu unterzeichnen. Bei elektronischen Eingaben ist zu beachten, dass diese mit einer anerkannten elektronischen Signatur versehen sein müssen (Art. 130 Abs. 2 ZPO).

Gemäss Artikel 131 ZPO ist das Rechtsöffnungsgesuch zudem in zweifacher Ausfertigung einzureichen. Dasselbe gilt für die Beilagen (Rechtsöffnungstitel etc.). Im Unterlassungsfall kann das Gericht hierzu eine Nachfrist ansetzen oder die notwendigen Kopien auf Kosten der Partei erstellen lassen. Das Rechtsöffnungsgesuch ist deshalb samt Beilagen immer im Doppel einzureichen.

Das Rechtsöffnungsgesuch kann innert Jahresfrist (gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG hat der Zahlungsbefehl ein Jahr Gültigkeit) gestellt werden. Bei verarrestierten Steuerforderungen besteht aber eine stark verkürzte Frist von 10 Tagen seit Erhalt des Gläubigerdoppels des Zahlungsbefehls.

Als Beweismittel müssen dem Gesuch die Rechtsöffnungstitel beigelegt werden, d.h. es sind in der Regel die Veranlagungsverfügung inklusive Rechtskraftbescheinigung und die Schlussrechnung inkl. Rechtskraftbescheinigung mit einzureichen. Dies gilt auch in Bezug auf Verlustscheinforderungen, da der Verlustschein nicht als definitiver Rechtsöffnungstitel gilt und eine provisorische Rechtsöffnung bei Steuerforderungen nicht erteilt wird (RBOG 1997 Nr. 11).

Gegen Rechtsöffnungsentscheide kann gemäss Artikel 319 Bst. a ZPO Beschwerde erhoben werden, womit eine unrichtige Rechtsanwendung oder eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung gerügt werden kann (Art. 320 ZPO). Die Beschwerdefrist beträgt 10 Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Zu beachten ist, dass neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel ausgeschlossen sind (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Die Zuständigkeit als Beschwerdeinstanz liegt beim Obergericht (§ 26 Abs. 1 ZSRG).

3.3. Betreibungskosten

Für Betreibungskosten im Sinn von Artikel 68 Absatz 1 SchKG wird keine Rechtsöffnung erteilt. Der (betreibende) Gläubiger kann aber gestützt auf Artikel 68 Absatz 2 SchKG diese von den Zahlungen des Schuldners abziehen.

Beispiel:

Herr Muster zahlt trotz Mahnung die Steuerforderung von Fr. 1'500.- nicht, weshalb er betrieben wird. Er erhebt Rechtsvorschlag. Im Anschluss daran zahlt er Fr. 1'500.- an das betreibende Steueramt. Dem Steueramt sind aus der Betreibung insgesamt Kosten von Fr. 150.- entstanden. Von der Zahlung von Fr. 1'500.- können die Betreibungskosten vorab abgezogen werden, weshalb die Steuerforderung nur im Umfang von Fr. 1'350.- beglichen ist. Für den Restausstand von Fr. 150.- ist Rechtsöffnung zu beantragen.

Wird hingegen auf eine neu betriebene Steuerforderung, für welche bereits ein (Pfändungs-)Verlustschein besteht, Rechtsvorschlag erhoben, kann gestützt auf eine ältere Obergerichtsrechtsprechung auf den gesamten, im Verlustschein verurkundeten Betrag Rechtsöffnung verlangt werden. Voraussetzung dazu ist, dass die Hauptforderung (d.h. Steuerforderung) mittels definitivem Rechtsöffnungstitel belegt ist und der Schuldner keine Einwendungen im Sinn von Artikel 81 SchKG erhoben hat (RRBOG 1997 Nr. 11, Erw. 2bb).

4. Dokumentation

Das Rechtsöffnungsgesuch ist mit den entsprechenden Beweismitteln zu belegen. Aufgrund der Praxis einzelner Bezirksgerichte, dem Gläubiger bei formell mangelhaften Gesuchen keine Nachbesserungsfrist einzuräumen, empfiehlt es sich, das Gesuch samt vollständigen Beweismitteln einzureichen.

Zu den erforderlichen Beweismitteln bei definitiven Steuerforderungen gehören:

  • Veranlagungsverfügung (auch Einsprache-, Rekurs-, Verwaltungsgerichts- und Bundesgerichtsentscheide) inkl. Rechtskraftbescheinigung;

  • Schlussrechnung (auch Einsprache- und Rekursentscheide) inkl. Rechtskraftbescheinigung sowie

  • Zahlungserinnerung und Mahnung (mit Betreibungsandrohung).

Bei provisorischen Steuerforderungen umfasst die Dokumentation:

  • provisorische Steuerrechnung inkl. Rechtskraftbescheinigung sowie

  • Zahlungserinnerung und Mahnung (mit Betreibungsandrohung).

Bei verarrestierten Steuerforderungen, die noch nicht rechtskräftig festgesetzt worden sind:

  • Sicherstellungsverfügung inkl. Rechtskraftbescheinigung sowie

  • allenfalls provisorische Steuerrechnung inkl. Rechtskraftbescheinigung.

5. Zuständigkeiten für Ausstellung von Rechtskraftbescheinigungen

5.1. Veranlagungen

Entscheidstatus

Zuständigkeit

Veranlagungsverfügungen NP

Steueramt

Veranlagungsverfügungen JP

Steuerverwaltung, Rechtsabteilung

Einspracheentscheide

Steuerrekurskommission

Steuerrekursentscheide

Verwaltungsgericht

Verwaltungsgerichtsentscheide

Verwaltungsgericht

5.2. Schlussrechnungen (definitive und provisorische)

Entscheidstatus

Zuständigkeit

Schlussrechnungen

Steueramt, Kassieramt

Einspracheentscheide

Steuerrekurskommission

Steuerrekursentscheide

Verwaltungsgericht

5.3. Sicherstellungsverfügungen

Entscheidstatus

Zuständigkeit

Sicherstellungsverfügungen

Steuerrekurskommission

Steuerrekursentscheide

Bundesgericht

6. Rechtsöffnungsverfahren bei Steuerarresten

Zu beachten sind die bei der Arrestprosequierung verkürzten Fristen zur Einreichung des Rechtsöffnungsgesuchs. Nach Artikel 279 Absatz 2 SchKG hat der Gläubiger innert 10 Tagen seit Zustellung des Gläubigerdoppels des Zahlungsbefehls Rechtsöffnung zu verlangen.

Wird der Rechtsvorschlag vom zuständigen Zivilgericht (im Kanton Thurgau Bezirksgericht) beseitigt, ist das Fortsetzungsbegehren innert 20 Tagen seit der rechtskräftigen Beseitigung des Rechtsvorschlags zu stellen (Art. 279 Abs. 3 SchKG). Es empfiehlt sich, das Fortsetzungsbegehren unverzüglich nach Erhalt des Rechtsöffnungsentscheids zu stellen, da der Entscheid bei Entscheidfällung (!) in Rechtskraft erwächst.


Ältere Versionen

Datei Geändert

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Aug. 21, 2023

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Aug. 21, 2023

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Aug. 21, 2023

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Aug. 21, 2023

PDF-Datei 192-01-V2005-10.10.pdf

Aug. 21, 2023

PDF-Datei 192-01-V2002-01.01.pdf

Aug. 21, 2023

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