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StP 222 Nr. 1 Gemeinde-, Schul- und Kirchensteuern

1. Allgemeines

Gemäss § 85 Absatz 1 KV erhebt der Kanton Steuern zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die Politischen Gemeinden, die Schul- und die Kirchgemeinden haben das Recht, Steuern in Form von Zuschlägen zu den Hauptsteuern zu erheben (§ 85 Abs. 2 KV).

Die Politischen Gemeinden sowie die Schul- und Kirchgemeinden können Gemeindesteuern in Prozenten der einfachen Steuer erheben. Sie bestimmen jährlich den Steuerfuss in Prozenten der einfachen Staatssteuer (§ 222 StG). Die Gemeinden sind jedoch nicht berechtigt, nach Festsetzung des Gemeindesteuerfusses zusätzliche zweckgebundene Sondersteuern zu erheben. Dafür fehlt es an der notwendigen Rechtsgrundlage.

2. Steuerhoheit

§ 85 Absatz 2 KV spricht zwar vom „Recht“ der Gemeinden, Steuern zu erheben. Trotz dieser Formulierung verfügen die Politischen und die Schulgemeinden sowie die Kirchgemeinden jedoch über keine eigene Steuerhoheit. Sie können nämlich nur Zuschläge zu den Staats- und Gemeindesteuern erheben, während der Kanton das materielle und formelle Steuerrecht abschliessend erlässt.

Ein eigenes Gemeindesteuerrecht ist ausgeschlossen; insbesondere können die Gemeinden auch keine weiteren Steuern neben ihren Zuschlägen zu den kantonalen Hauptsteuern schaffen.

Das Recht der Gemeinden, Steuern „in Form von Zuschlägen“ zu erheben, bedeutet die selbständige Festsetzung des Gemeindesteuerfusses. Die damit verbundene Finanzautonomie ist wesentlicher Teil der Gemeindeautonomie. Die Gemeinde bestimmt auch selbst die interne Zuständigkeit zur Festsetzung des Steuerfusses, soweit diese nicht durch das Gesetz geregelt ist. Die Steuerhoheit steht ihr nicht aufgrund ihrer Autonomie zu, sondern nur nach Massgabe des kantonalen Rechts (abgeleitete Steuerhoheit).

Steuern erheben können nur die Politischen Gemeinden sowie die Schul- und Kirchgemeinden, nicht aber die Bürgergemeinden oder die anderen öffentlich-rechtlichen Korporationen und Anstalten. Auch den Zweckverbänden ist die direkte Steuererhebung verwehrt.

3. Kirchensteuern im Speziellen

3.1. Allgemeines

Gemäss § 55 StV haben natürliche Personen Kirchensteuern zu entrichten, wenn sie einer Landeskirche angehören. Massgebend sind die Verhältnisse am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft besteht bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften von Gesetzes wegen und wird vom öffentlichen Recht näher geregelt.

Anerkannte Landeskirchen des öffentlichen Rechts sind nach § 91 der Kantonsverfassung (KV) die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Religionsgemeinschaft.

Gemäss § 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Organisation der Katholischen Landeskirche des Kantons Thurgau (RB 188.21; OKL) umfasst die Katholische Landeskirche alle in den katholischen Kirchgemeinden des Kantons organisierten Angehörigen der römisch-katholischen Konfession. Nach § 61 Absatz 1 Satz 1 OKL umfasst die Kirchgemeinde sämtliche innerhalb ihrer Umgrenzung wohnhaften Angehörigen der römisch-katholischen Kirche.

Nach § 3 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau (RB 187.11; VEL) ist Mitglied der Evangelischen Landeskirche jeder evangelische Einwohner des Kantons, der nicht schriftlich seinen Austritt erklärt oder bei der Wohnsitznahme im Kanton seine Nichtzugehörigkeit nachgewiesen hat.

Nach § 93 Absatz 1 KV gliedern sich die Landeskirchen in Kirchgemeinden mit eigener Rechtspersönlichkeit. § 93 Absatz 2 KV bestimmt, dass die Kirchgemeinden für die Erfüllung der Kultusaufgaben innerhalb von Kirchgemeinden, Landeskirche und Religionsgemeinschaft im Rahmen der konfessionellen Gesetzgebung Steuern in Form von Zuschlägen zu den Hauptsteuern erheben können. Der Zusatz bei § 93 Absatz 2 KV „im Rahmen der konfessionellen Gesetzgebung“ beschränkt sich auf die Festsetzung des Steuerfusses.

Gemäss § 222 Absatz 1 StG können Kirchgemeinden Gemeindesteuern in Prozenten der einfachen Steuern erheben. Die durch § 222 StG den Kirchgemeinden erteilte Ermächtigung zur Erhebung von Kirchensteuern findet ihre Schranke im Grundsatz, wonach niemand verpflichtet werden darf, Kultussteuern für eine Religionsgemeinschaft zu bezahlen, der er nicht angehört. Diese Beschränkung von Kultussteuern war in Artikel 49 Absatz 6 der alten Bundesverfassung noch ausdrücklich geregelt, sie ergibt sich in der neuen Bundesverfassung aus Artikel 15 Absatz 4 BV, aus dem Verbot des Zwangs, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören. Personen, die der betreffenden Religionsgemeinschaft nicht angehören, dürfen daher nicht gegen ihren Willen zur Bezahlung von Kirchensteuern verpflichtet werden.

Macht ein Steuerpflichtiger geltend, er sei aus der Religionsgemeinschaft, der er bisher angehörte, ausgetreten, so hat er dies gemäss § 57 StV durch eine Bestätigung der zuständigen kirchlichen Behörde nachzuweisen.

3.2. Kirchensteuer bei Ehegatten mit unterschiedlichen Konfessionen

Gehören Ehegatten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe nicht der gleichen Landeskirche an, ist je die halbe Kirchensteuer an die entsprechende Kirchgemeinde zu entrichten (§ 56 Abs. 1 StV). Gehört nur ein Ehegatte einer Landeskirche an, haben die Steuerpflichtigen die halbe Kirchensteuer an die Kirchgemeinde dieser Konfession zu entrichten (§ 56 Abs. 2 StV).

Die vorgenannten Ausführungen gelten sinngemäss auch für Partnerinnen oder Partner in eingetragener Partnerschaft (vgl. StP 12 Nr. 1 Einkommen und Vermögen von Ehegatten sowie von Personen in eingetragener Partnerschaft).

3.3. Kirchensteuer bei beschränkter Steuerpflicht

Nach dem Grundsatz, wonach niemand verpflichtet werden darf, Kultussteuern für eine Religionsgemeinschaft zu bezahlen, der er nicht angehört, kann nicht abgeleitet werden, dass ein im Kanton Thurgau beschränkt Steuerpflichtiger (z.B. wegen Grundbesitz) keine Kirchensteuern zu bezahlen hätte.

Die sich aus § 15 Absatz 4 BV ergebende Schranke (vgl. oben Ziff. 3.1) berührt lediglich das Verhältnis des Bürgers zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft, nicht aber die (örtliche) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirchgemeinde derselben Religionsgemeinschaft. Solange der Steuerpflichtige bei Beginn der Steuerpflicht im Kanton Thurgau weder die Nichtzugehörigkeit zu einer Landeskirche erklärt noch eine Bestätigung über seinen Austritt beigebracht hat, unterliegt er somit im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auch der Kirchensteuerpflicht. Vom Steuerpflichtigen kann nicht geltend gemacht werden, er könne in keiner Weise von der entsprechenden Kirchgemeinde profitieren, da die Steuern voraussetzungslos geschuldet sind, und zwar unabhängig davon, inwieweit der Steuerpflichtige von den Einrichtungen des zur Steuererhebung berechtigten Gemeinwesens profitiert.

Hat der Steuerpflichtige Wohnsitz in der Schweiz, ist der Austritt aus der Landes­kirche am steuerrechtlichen Wohnsitz auch für das Nebensteuerdomizil massgebend.

In den USA gibt es keine Landeskirchen. Pflichtige mit steuerrechtlichem Wohnsitz in den USA, welche der evangelischen Kirche angehören, unterstehen aber bei einem Nebensteuerdomizil im Kanton Thurgau ungeachtet davon der Kirchensteuerpflicht. Lutheraner und Presbyterianer werden dabei der evangelischen Kirche zugerechnet.

Um von der Kirchensteuerpflicht befreit zu werden, müssen Steuerpflichtige mit Wohnsitz in den USA daher den Austritt aus der Landeskirche am Nebensteuerdomizil im Kanton Thurgau erwirken.

3.4. Kirchensteuerpflicht von Lutheranern

Zur Frage, wie es mit der Mitgliedschaft und damit der Kirchensteuerpflicht von Lutheranern in der Evangelischen Landeskirche steht, äusserte sich der Evangelische Kirchenrat des Kantons Thurgau dahingehend, dass die in § 3 VEL geregelte Mitgliedschaft auch Lutheraner einschliesse.

Lutheraner gehören somit der evangelischen Glaubensrichtung an und werden daher als evangelische Kantonseinwohner im Sinn von § 3 VEL angesehen, weshalb sie mit der evangelisch-reformierten Kirchensteuer belastet werden können, solange sie keine schriftliche Austrittserklärung vorlegen (vgl. auch § 57 StV). Lutheraner sind demnach keine Angehörigen von Freikirchen.

3.5. Kirchensteuer bei juristischen Personen

Gemäss § 224 StG haben juristische Personen sowohl den evangelischen als auch den katholischen Kirchgemeinden Steuern zu entrichten. Das Bundesgericht hat in ständiger Praxis die Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen bejaht.

In BGE 102 Ia 468 setzte sich das Bundesgericht mit den Argumenten, die in der Doktrin gegen die Heranziehung juristischer Personen zur Kirchensteuer angebracht wurden, auseinander, doch hielt es an der bisherigen Rechtsprechung fest: Dem historischen Verfassungsgeber sei es ausschliesslich darum gegangen natürliche Personen gegen die Besteuerung durch eine Religionsgemeinschaft zu schützen, der sie nicht oder nicht mehr angehören.

Dem Einwand, hinter der juristischen Person ständen natürliche Personen, die durch die Besteuerung des Gesellschaftsvermögens mit Kultussteuern indirekt in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt sein könnten, mass das Bundesgericht ein gewisses Gewicht für kleinere, in Form einer juristischen Person organisierte Unternehmungen bei. Es räumte ein, dies vermöge bei der heutigen Ausgestaltung der Individualrechte nicht ganz zu befriedigen. Wer aber einen Teil seines Vermögens rechtlich von seiner Person trenne und als juristische Person verselbständige, müsse neben den Vorteilen dieser Gestaltung auch die Nachteile in Kauf nehmen.

Das schweizerische Steuerrecht geht davon aus, dass die juristischen Personen, vor allem auch die Aktiengesellschaften, selbständig besteuert werden und einer besonderen Steuer unterliegen. Dies entspricht der zivilrechtlichen Ordnung, nach der die juristische Person ein eigenes, von den daran beteiligten natürlichen Personen getrenntes Dasein führt, und ist auch fiskalisch begründet, denn damit werden unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Werden aber die juristischen Personen allgemein als selbständige Steuersubjekte behandelt, ohne dass auf die dahinter stehenden natürlichen Personen Rücksicht genommen wird, so ist nicht einzusehen, weshalb einzig und allein für die Kirchensteuer dieser Durchgriff vorzunehmen wäre.

Die Regelung des Gemeindewesens ist im Übrigen Sache der Kantone. Entsprechend sind diese frei, die Kirchgemeinden - wie der Kanton Thurgau es getan hat - als Gebietskörperschaften auszugestalten. Diesfalls aber kann die Steuerhoheit an die Gebietshoheit anknüpfen, und die Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ist nicht Voraussetzung für die Kirchensteuerpflicht von juristischen Personen. Da sich diese nicht auf die Religionsfreiheit berufen können, verletzt ihre Besteuerung auch nicht die Verfassung. Zudem ist die Kirchensteuer als eigentliche Steuer voraussetzungslos geschuldet und somit nicht von Gegenleistungen des Gemeinwesens abhängig.

Damit erweist sich die Kirchensteuerpflicht für juristische Personen gemäss § 224 StG aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 126 I 122) als verfassungskonform.

Juristische Personen, die selber religiöse oder kirchliche Zwecke verfolgen, wie z.B. Freikirchen, können gemäss BGE 95 I 350 nicht verpflichtet werden, an andere Religionsgemeinschaften Kultus- oder Kirchensteuern zu entrichten (ASA 39, S. 205).

Massgebend für die Kirchensteuer ist das Verhältnis von Niedergelassenen und Aufenthaltern der beiden Konfessionen der Politischen Gemeinde, in der die juristische Person steuerpflichtig ist (§ 224 Abs. 2 StG). Für die Berechnung des Verhältnisses der Niedergelassenen und Aufenthalter beider Konfessionen einer Gemeinde ist die letzte eidgenössische Volkszählung massgebend (§ 58 StV).

Die Berechnung des Gesamt-Kirchensteuerfusses für juristische Personen wird wie folgt vorgenommen:

Der prozentuale Anteil jeder Konfession an der Bevölkerungszahl wird mit dem Kirchensteuerfuss der betreffenden Konfession multipliziert. Addiert ergeben die beiden Resultate den Gesamt-Kirchensteuerfuss für die juristische Person.


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Aug. 21, 2023

PDF-Datei 222-01-V2005-10.10.pdf

Aug. 21, 2023

PDF-Datei 222-01-V2003-08.12.pdf

Aug. 21, 2023

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