StP 156 Nr. 2 Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht
1. Allgemeines
Natürliche Personen, die einer selbständigen (Haupt- oder Neben-)Erwerbstätigkeit nachgehen, sowie juristische Personen haben der Steuererklärung die unterzeichneten Jahresrechnungen der Bemessungsperiode beizulegen (§ 156 Abs. 2 StG und Art. 125 Abs. 2 DBG). Die Jahresrechnung besteht aus Bilanz, Erfolgsrechnung und allenfalls einem Anhang zur Jahresrechnung (für AG: siehe Art. 662 Abs 2 aOR).
Untersteht die steuerpflichtige (natürliche) Person nicht der Buchführungspflicht gemäss Artikel 957ff. aOR, so hat sie der Steuererklärung eine Aufstellung über Aktiven und Passiven, Einnahmen und Ausgaben sowie Privatentnahmen und Privateinlagen beizulegen.
2. Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht
Die Buchführungspflicht knüpft rechtsformneutral an die Grösse der Unternehmung an. Gemäss Artikel 957 Absatz 1 OR unterliegen der Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht neu folgende Unternehmungen:
Einzelunternehmungen und Personengesellschaften, die einen Umsatzerlös von mindestens Fr. 500 000 im vorangegangen Geschäftsjahr erzielt haben;
juristische Personen (ausser Vereine und Stiftungen, die nicht im Handelsregister eingetragen werden müssen und Stiftungen, die von der Pflicht zur Bezeichnung einer Revisionsstelle befreit sind).
Für Einzelunternehmungen und Personengesellschaften, die den Umsatzschwellenwert von Fr. 500 000 nicht erreichen, gilt gestützt auf Artikel 957 Absatz 2 OR die Verpflichtung über die Einnahmen und Ausgaben sowie über die Vermögenslage Buch zu führen (sog. „Milchbüchleinrechnung“). Diese reduzierte Buchführungspflicht muss aber den Anforderungen an die steuerrechtliche Aufzeichnungspflicht gemäss Artikel 125 Absatz 2 DBG entsprechen.
Damit dürften freiberufliche Selbständigerwerbende bei Erreichen der Umsatzschwellenwerte zwingend der Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht gemäss Artikel 957 Absatz 1 OR unterliegen. Für die in Artikel 957 Absatz 1 und 2 OR genannten Unternehmungen gelten die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung direkt oder sinngemäss (Art. 957 Abs. 3 OR).
3. Verletzung der Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht
Steuerpflichtige Personen, die ihrer Steuererklärung keine Jahresrechnung oder Aufzeichnung beilegen, sind entsprechend aufzufordern, diese nachzuliefern. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, kann die Veranlagungsbehörde zu einer Ermessensveranlagung schreiten. Formelle Voraussetzung dafür ist aber, dass vorgängig eine Ermessensveranlagung als Säumnisfolge angedroht worden ist mit explizitem Verweis auf die Rechtsfolge, dass eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden kann. Eine schuldhafte Unterlassung dieser Mitwirkungspflicht mündet in eine Busse gemäss § 207 StG bzw. Artikel 174 DBG.
Gefälschte, verfälschte und inhaltlich unwahre Jahresrechnungen können zu einer Strafanzeige führen, da der Straftatbestand des Steuerbetrugs gemäss Artikel 186 DBG und § 215 Absatz 1 StG erfüllt ist (siehe auch StP 215 Nr. 1 Steuerbetrug).
4. Kassabuch
4.1. Allgemeines
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Selbständigerwerbende und juristische Personen, die einen intensiven Bargeldverkehr aufweisen. Um die Vollständigkeit der verbuchten Umsätze überprüfen zu können, ist ein beweistaugliches Kassabuch in solchen Fällen unabdingbar. Dieselben Anforderungen gelten auch für aufzeichnungspflichtige Selbständigerwerbende.
Bei bargeldintensiven Betrieben kommt der Buchhaltung nur dann Beweiskraft zu, wenn ein vollständiges und nachgeführtes Kassabuch sowie vollständige Belege vorliegen, die eine Nachkontrolle gewährleisten (siehe auch Richner/Frei/Kaufmann/ Rohner, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 4. Aufl., Zürich 2021, § 132 N 61)).
3.2. Anforderungen an ein beweistaugliches Kassabuch
An die Führung von aussage- und beweiskräftigen Kassabüchern hat die Recht-sprechung hohe Anforderungen gestellt (BGE 2A.657/2005):
Fortlaufende, lückenlose und zeitnahe Aufzeichnungen über Bareinnahmen- und Barausgaben;
Buchungsbelege für sämtliche Buchungen;
Aufzeichnungen über Kassenstürze (in bargeldintensiven Betrieben ist täglich zu saldieren).
Ein nachträglich erstelltes Kassabuch erfüllt die Anforderung an eine zeitnahe Aufzeichnung nicht mehr, sodass es in der Regel ausser Recht verwiesen werden muss.
3.3. Folgen einer mangelhaften Kassabuchführung
Erweist sich ein Kassabuch als nicht ordnungsgemäss geführt und muss dessen Aussagekraft stark bezweifelt werden, kann bei bargeldintensiven Betrieben die ganze Buchhaltung zurückgewiesen werden. Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bzw. der steuerbare Gewinn müssen dann aufgrund einer Ermessensveranlagung festgesetzt werden.