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StP 164 Nr. 3 Einsprache gegen eine Ermessenseinschätzung

1. Allgemeines

Eine Ermessensveranlagung kann gemäss Artikel 132 Absatz 3 DBG und § 164 Absatz 2 StG nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden. Im Gegensatz zur Einsprache gegen die ordentliche Veranlagung hat die Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung erhöhten zusätzlichen Formerfordernissen zu genügen. So ist sie zu begründen und muss allfällige Beweismittel nennen.

Bei der Begründungspflicht handelt es sich nach der konstanten bundesgerichtlichen Rechtsprechung um eine Eintretensvoraussetzung (BGer 2C_61/2021, E. 4.1; BGE 131 II 548 E. 2.3). Ist diese innert der Einsprachefrist nicht erfüllt, kann auf die Einsprache nicht eingetreten werden, d.h. es erfolgt keine materielle Prüfung.

2. Rüge der Unzulässigkeit der Ermessensveranlagung

Eine Ermessensveranlagung kann vorgenommen werden, wenn die steuerpflichtige Person trotz Mahnung ihre Verfahrenspflichten nicht erfüllt hat (Art. 130 Abs. 1 DBG; § 162 StG). Können die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden, kann ebenfalls eine Ermessensveranlagung erfolgen.

Mit Einsprache kann vorgebracht werden, dass die entsprechenden für eine Ermessensveranlagung berechtigenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Diese Einsprache muss nicht der angeführten erhöhten Substanziierungspflicht (siehe Ziffer 1) genügen (siehe auch Silvia Hunziker/Arthur Brunner, Anfechtung von Ermessensveranlagungen, StR 2022, 434 ff., 444).

Gelangt die Veranlagungsbehörde zum Schluss, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Ermessensveranlagung gegeben sind, so ist die Einsprache in diesem Punkt (Unzulässigkeit der Ermessensveranlagung) abzuweisen. Sind die Eintretensvoraussetzungen für eine Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung nicht erfüllt, kann diesbezüglich nicht auf die Einsprache eingetreten werden (Hunziker/Brunner, 444; Fn. 57).

3. Unrichtigkeitsnachweis

3.1. Grundsatz

Die steuerpflichtige Person hat ihre Einsprache so auszugestalten, "dass die Veranlagungsbehörde mit Blick auf die Begründung und die angebotenen Beweismittel ohne Weiteres zu erkennen vermag, ob die Ermessensveranlagung "offensichtlich unrichtig" ausgefallen sei" (BGer 2C_61/2021, E. 4.1).

Als offensichtlich unrichtig erweist sich eine Ermessensveranlagung, wenn sie sachlich nicht begründbar ist, sich auf sachwidrige Schätzungsgrundlagen bezieht oder sonst mit den aktenkundigen Verhältnissen nicht übereinstimmt (Hunziker/Brunner, 443). Die Schätzung muss im Ergebnis willkürlich sein (BGer 2C_96/2019, E. 5.2.2).

Dieser sogenannte Unrichtigkeitsnachweis kann dabei auf zwei Arten erbracht werden (siehe BGer 2C_61/2021, E. 4.1; siehe Ziffern 3.2. und 3.3):

  • "Vollnachweis" der offensichtlichen Unrichtigkeit mit umfassender und substanziierter Sachdarstellung und Beweismittelofferte (Ziffer 3.2)

  • Quantitativer Unrichtigkeitsnachweis mit "anderer", gleichwertiger Begründung (Ziffer 3.3).

3.2. Substanziierte Sachdarstellung und Beweismittelofferte

Die bisher vorhandene Ungewissheit im Sachverhalt kann durch eine substanziierte Sachdarstellung und einer umfassenden Beweismittelofferte beseitigt werden. Gelingt dies, lebt die Untersuchungspflicht der Veranlagungsbehörde wieder auf und ist ins ordentliche Veranlagungsverfahren zurückzukehren (BGer 2C_61/2021, E.4.1.1.). Die substanziierte Sachdarstellung ist dadurch vorzunehmen, dass die versäumten Mitwirkungspflichten während der Einsprachefrist gehörig nachgeholt werden (BGer 2C_404/2019, E. 2.3; Hunziker/Brunner, 442).

Dabei hat sich die substanziierte Sachdarstellung auf den ganzen ungewissen Sachverhalt zu beziehen, d.h. zu allen ermessensweise festgesetzten Steuerfaktoren (BGer 2C_61/2021, E. 4.2.). Dies geschieht in der Regel durch eine vollständig ausgefüllte Steuererklärung, da sich die erforderliche Begründung grundsätzlich daraus ergibt (Zweifel Martin/Hunziker Silvia, in: Zweifel Martin/Beusch Michael [Hrsg.], Kommentar zum DBG, 4. Aufl., Basel 2022, Art. 132 N 35a)

Die Sachdarstellung und die eingereichten bzw. angebotenen Beweismittel müssen geeignet sein, den bislang ungewissen Sachverhalt oder die offensichtliche Unrichtigkeit der Schätzung nachzuweisen (BGer 2C_61/2021, E. 4.2). Wird für zentrale Positionen kein Beweismittel eingereicht oder angeboten, ist auf die Einsprache nicht einzutreten (BGer 2C_61/2021, E. 5.2).

Gelingt der Unrichtigkeitsnachweis, wird die Ermessensveranlagung durch eine ordentliche Veranlagung ersetzt.

3.3. Quantitativer Unrichtigkeitsnachweis

Die steuerpflichtige Person kann auch vorbringen, dass die Schätzung seiner Steuerfaktoren an groben methodischen oder rechnerischen Fehlern leidet (BGer 2C_61/2021, E. 4.1.2). Es ist substanziert aufzuzeigen, "weswegen die Schätzung der Veranlagungsbehörde offensichtlich unrichtig sein soll" (BGer 2C_61/2021, E. 4.3).

Dieser Sachdarstellung sind geeignete Beweismittel beizulegen oder zumindest anzubieten. Es können nur grobe Schätzungsfehler gerügt werden, die sich als im Ergebnis willkürlich erweisen (Hunziker/Brunner, 443). Fehlen in der Einspracheschrift ausdrückliche Beweismittelangebote zu wesentlichen Steuerfaktoren, kann auf die Einsprache nicht eingetreten werden (BGer 2C_61/2021, E. 4.5.2).

Wird der behördlichen Schätzung lediglich eine eigene, tiefere Schätzung gegenübergestellt, ohne diese näher zu begründen und substanziieren, wird auf die Einsprache nicht eingetreten (BGer 2C_61/2021, E. 4.5.2).

4. Anwendungsbeispiele

4.1. Rüge der Unzulässigkeit der Ermessensveranlagung

Frau X. reicht trotz Mahnung unter Androhung einer Ermessensveranlagung im Säumnisfall keine Steuererklärung ein. Die Veranlagungsbehörde nimmt eine Ermessensveranlagung vor.

Frau X. erhebt fristgerecht Einsprache und macht geltend, die Voraussetzungen für eine Ermessensveranlagung lägen nicht vor. Eine Begründung wird nicht vorgebracht und Beweismittel werden keine angeführt.

Die Veranlagungsbehörde hat auf die Rüge der Unzulässigkeit einzutreten und die Einsprache in diesem Punkt abzuweisen, da sie unbegründet ist. Im Weiteren ist auf die Einsprache nicht einzutreten. Das Dispositiv des Einspracheentscheids lautet: "Die Einsprache ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist."

4.2. Einreichen der Steuererklärung

Frau X. reicht trotz Mahnung unter Androhung einer Ermessensveranlagung im Säumnisfall keine Steuererklärung ein. Die Veranlagungsbehörde nimmt eine Ermessensveranlagung vor.

Frau X. reicht innert der Einsprachefrist eine vollständig ausgefüllte und mit den erforderlichen Belegen dokumentierte Steuererklärung ein.

Auf die Einsprache ist einzutreten.

4.3. Quantitativer Unrichtigkeitsnachweis

4.3.1. Beispiel 1

Frau X. reicht trotz Mahnung unter Androhung einer Ermessensveranlagung im Säumnisfall keine Steuererklärung ein. Die Veranlagungsbehörde nimmt eine Ermessensveranlagung vor. Frau X ist ledig, 35-jährig und geht einer Arbeit nach, mehr ist über sie nicht bekannt. Sie wird mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 55'000.00 nach Ermessen eingeschätzt.

Sie macht Einsprache gegen diese Ermessenseinschätzung. Sie ist der Meinung, dass die Einschätzung viel zu hoch und somit willkürlich sei.

Frau X. zeigt nicht substantiiert auf, weswegen die Schätzung der Veranlagungsbehörde offensichtlich unrichtig sein soll. Auf die Einsprache ist nicht einzutreten, da die Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

4.3.2. Beispiel 2

Frau X. reicht trotz Mahnung unter Androhung einer Ermessensveranlagung im Säumnisfall keine Steuererklärung ein. Die Veranlagungsbehörde nimmt eine Ermessensveranlagung vor. Frau X ist ledig, 18-jährig, Studentin und lebt noch bei Ihren Eltern, mehr ist über sie nicht bekannt. Sie wird mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 55'000.00 nach Ermessen eingeschätzt.

Frau X. macht Einsprache gegen diese Ermessenseinschätzung. Sie ist der Meinung, dass die Einschätzung viel zu hoch und somit willkürlich sei. Sie belegt diese Aussage mit einer aktuellen Immatrikulationsbescheinigung einer schweizerischen Universität und einem Lohnausweis für eine Nebenerwerbstätigkeit, die einen Nettolohn von Fr. 10'400 ausweist. Gemäss ihren Angaben handelt es sich dabei um ihre einzigen Einkünfte. Im Übrigen werde sie von ihren Eltern finanziell unterstützt, was sie auch mittels einer schriftlichen Bestätigung der Eltern belegen kann.

Mit diesen Angaben kann sie substantiiert aufzeigen, dass die Schätzung der Veranlagungsbehörde offensichtlich unrichtig ist. Auf die Einsprache ist daher einzutreten. 


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Aug. 21, 2023

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Aug. 21, 2023

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