StP 67 Nr. 1 Stiftungen gemäss Artikel 80 ZGB
1. Allgemeines
Bei einer Stiftung handelt es sich gemäss Artikel 80 ZGB um einen Vermögenskomplex, der einem besonderen Zweck gewidmet worden ist. Der Stiftung kommt Rechtspersönlichkeit zu. Der Handelsregistereintrag ist dabei konstituierender Natur. Stiftungen - mit Ausnahme der Familienstiftung gemäss Artikel 335 ZGB - unterstehen der (öffentlichen) Aufsichtspflicht (Art. 84 Abs. 1 ZGB).
Aufgrund der zivilrechtlich verankerten Stiftungsfreiheit besteht eine Vielzahl von zulässigen Stiftungszwecken. Neben gemeinnützigen oder kulturellen Stiftungen spielen auch sogenannte Unternehmensstiftungen in der Praxis eine wichtige Rolle. Gesondert geregelt sind Familienstiftungen gemäss Artikel 335 ZGB (siehe nachstehend Ziffer 3.2).
Stiftungen unterliegen gemäss § 67 Absatz 1 Ziffer 2 StG der subjektiven Steuerpflicht. Gemäss § 91 Absatz 1 StG beträgt der Gewinnsteuersatz ab der Steuerperiode 2020 2,5 Prozent des Reingewinns, wobei Reingewinne unter Fr. 5 000 nicht besteuert werden (§ 91 Abs. 2 StG). Die Kapitalsteuer der Stiftungen beträgt ab der Steuerperiode 2020 0,15 Promille; ein Eigenkapital unter Fr. 100 000 wird nicht besteuert (§ 100 StG).
Bis und mit der Steuerperiode 2019 betrug der Gewinnsteuersatz 4 Prozent und der Kapitalsteuersatz 0,3 Promille.
2. Errichtung einer Stiftung
2.1. Allgemeines
Die Errichtung einer Stiftung kann entweder durch eine öffentliche Urkunde oder durch eine Verfügung von Todes wegen erfolgen (Art. 81 Abs. 1 ZGB). Damit verlassen die gewidmeten Vermögenswerte den Vermögensbereich des Stifters und wechseln ins Eigentum der Stiftung.
2.2. Steuerfolgen
2.2.1. Stifter ist natürliche Person
Vermögensübergänge, die im Rahmen einer Stiftungserrichtung erfolgen, unterliegen aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes entweder der Erbschaftssteuer (Errichtung durch letztwillige Verfügung; § 3 Absatz 2 des Gesetzes über die Erbschafts- und Schenkungssteuer [ESchG]) oder der Schenkungssteuer (§ 4 Abs. 2 ESchG). Steuerpflichtig ist die empfangende Stiftung (§ 8 Abs. 1 ESchG).
Gemäss § 6 Absatz 1 ESchG werden Vermögensübergänge an Stiftungen, die gemäss § 75 Absatz 1 Ziffer 7 StG von der subjektiven Steuerpflicht befreit werden, von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Dies gilt auch für Vermögensübergänge im Zusammenhang mit einer Stiftungserrichtung.
Die Errichtung einer Familienstiftung wird nach den vorgenannten Grundsätzen beurteilt, auch wenn der Destinatärkreis aus an sich hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuer steuerbefreiten Familienangehörigen besteht. Massgebend ist das Verhältnis von Stifter zur Stiftung, welches keine Steuerbefreiung geniesst (§ 8 Abs. 1 ESchG).
2.2.2. Stifterin ist juristische Person
An den unter Ziffer 2.2.1 angeführten Steuerfolgen ändert sich nichts, wenn die Stifterin eine juristische Person ist. Die Vermögenszuwendung bei der Stiftungserrichtung kann grundsätzlich nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendung geltend gemacht werden.
Eine differenzierte Beurteilung drängt sich hingegen bei einer sogenannten Unternehmensstiftung auf. Liegt die Errichtung der Unternehmensstiftung im Interesse der Stifterin, kann allenfalls eine geschäftsmässige Begründung vorliegen (Landolf, Die Unternehmensstiftung im schweizerischen Steuerrecht, Diss. SG 1987, 101). Massgebend sind jedoch die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls.
3. Leistungen an Destinatäre
3.1. Allgemeines
Leistungen aus einer Stiftung an im Kanton Thurgau unbeschränkt steuerpflichtige Destinatäre unterliegen der Einkommenssteuer, sofern sie statutarisch vorgesehen sind (§ 18 StG). Demnach fehlt es an einer für die Erfüllung des Schenkungstatbestandes erforderlichen Freiwilligkeit der ausgerichteten Leistung (Ramseier, Die basellandschaftliche Erbschafts- und Schenkungssteuer, Diss. BS 1988, 53).
Werden Leistungen ausgerichtet, die aufgrund einer entsprechenden statutarischen Grundlage im Ermessen der Stiftungsorgane liegen, kann unter Umständen der Schenkungstatbestand erfüllt sein, was entsprechende Steuerfolgen auslöst (Ramseier, 53).
3.2. Familienstiftungen
Bei Familienstiftungen gemäss Artikel 335 ZGB dient das gewidmete Vermögen zur Bestreitung der Erziehungs-, Ausstattungskosten oder Unterstützungsleistungen von Familienangehörigen. Ausgerichtete Leistungen im Zusammenhang mit Erziehungs- und Ausstattungskosten sind grundsätzlich gemäss § 18 StG steuerbar. Eine Ausnahme rechtfertigt sich in Fällen von Bedürftigkeit der Destinatäre. Diesfalls bleiben Leistungen im Umfang des Existenzminimums steuerfrei (§ 26 Ziff. 7 StG).
Unterstützungsleistungen setzen die Bedürftigkeit des Destinatärs voraus (Grüninger, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar zum ZGB I, 7. Aufl., Basel 2022, Art. 335N 11). Bedürftigkeit liegt aber nicht schon vor, wenn keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wird, sondern lediglich dann, wenn der Lebensunterhalt nicht durch andere Mittel bestritten werden kann. Deshalb sind entsprechende Leistungen im Sinn von § 26 Ziffer 7 StG als steuerfrei zu qualifizieren. Dies kann jedoch nur im Umfang gelten, in dem solche Leistungen das Existenzminimum des Destinatärs sichern. Darüber hinausgehende Leistungen werden gemäss § 18 StG der Einkommenssteuer unterworfen.
4. Ausländische Stiftungen
4.1. Grundsatz
Eine ausländische juristische Person wird grundsätzlich als eigene Rechtspersönlichkeit anerkannt, wenn sie im Errichtungsstaat als selbständiges Steuersubjekt behandelt wird (Inkorporationstheorie). Steuerlich wird sie im Sinne von § 67 Abs. 4 StG jener inländischen juristischen Person gleichgestellt, welcher sie rechtlich oder tatsächlich am ähnlichsten ist. Bei ausländischen Stiftungen ist dies in der Regel die schweizerische Stiftung. Bei anerkannten Stiftungen ausländischen Rechts ergeben sich die Steuerfolgen nach dem unter den Ziffern 2 und 3 Ausgeführten sinngemäss.
Dient eine Stiftung ausländischen Rechts hingegen nur der Steuerumgehung, wird sie steuerlich nicht anerkannt (vgl. StP 5 Nr. 1 Steuerumgehung). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Errichtung einer ausländischen Stiftung als Steuerumgehung zu qualifizieren, wenn der Stifter gemäss der Stiftungsurkunde das Recht hat, die Stiftung aufzulösen oder die Stiftungsdokumente im Rahmen des Stiftungszweckes beliebig zu ergänzen, und wenn er auf diese Weise über das Stiftungskapital oder dessen Ertrag verfügen kann, wie wenn es sich um sein persönliches Vermögen handelte. Gleiches gilt, wenn nach dem Tod des Stifters dem Stiftungsrat oder den Destinatären der Stiftung derartige Befugnisse über Kapital und Ertrag der Stittung zustehen.
Beim Vorliegen einer solchen kontrollierten Stiftung wird die zivilrechtliche Ausgestaltung nicht anerkannt und es erfolgt steuerlich ein Durchgriff auf die hinter der Stiftung stehende, diese beherrschende natürliche Person (transparente Besteuerung). Vermögenswerte und Einkünfte dieser Stiftung werden steuerlich dem Stifter zugerechnet. Leistungen an Destinatäre können allenfalls als steuerbare Schenkungen vom Stifter an den Destinatär qualifiziert werden. Die Steuerfolgen richten sich in solchen Fallkonstellationen nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls.
4.2. Liechtensteinische Stiftungen
4.2.1. Allgemeines
Das liechtensteinische Stiftungsrecht bietet sehr flexible Ausgestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten für Stiftungen. Errichtet werden können beispielsweise Familienstiftungen mit allgemeiner Zwecksetzung (Unterhalts- und Genussstiftungen). Der Stifter kann sich auch selbst als Begünstigten einsetzen. Der Stifter kann die Statuten sowie Bei- und Zusatzstatuten abändern, wenn dies in den entsprechenden Urkunden ausdrücklich vorgesehen ist. Das liechtensteinische Stiftungsrecht enthält daher aus schweizerischer Sicht erhebliches Steuerumgehungspotential.
Eine liechtensteinische Familienstiftung wird in der Schweiz nur unter Einhaltung strenger Voraussetzungen als Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit anerkannt. Gemäss dem am 22.12.2016 in Kraft getretenen Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein (DBA-FL) gelten unterschiedliche Regelungen, je nach dem, ob Stifter oder Begünstigte in der Schweiz ansässig sind (vgl. Ziff. 4.2.2).
4.2.2. Voraussetzung für Anerkennung
Sind Stifter oder Begünstigte in der Schweiz ansässig, wird für die Anerkennung der Ansässigkeit einer liechtensteinischen Stiftung vorausgesetzt, dass
die Stiftung in Liechtenstein der Ertragssteuer unterliegt (nicht nur der Mindestertragssteuer wie z.B. Privatvermögensstrukturen);
weder der Stifter noch ein Begünstigter noch eine diesen nahestehende Person faktisch oder rechtlich über das Stiftungsvermögen oder die daraus erzielten Erträge verfügen dürfen.
Insbesondere die folgenden Voraussetzungen müssen dabei kumulativ erfüllt sein:
Der Stifter hat sich in den Errichtungsdokumenten der Stiftung weder ein Widerrufsrecht noch ein Recht zur Änderung der Stiftungsdokumente vorbehalten (z.B. Stiftungsurkunde [Statut] und/oder Stiftungszusatzurkunde [Beistatut]).
Weder der Stifter noch eine ihm nahestehende Person verfügen über ein Weisungsrecht im Sinne eines bestimmenden Einflusses im oder gegenüber dem Stiftungsrat.
Die Begünstigten haben keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen aus der Stiftung (kein nutzniessungsähnliches Rechtsverhältnis zwischen den Begünstigten und der Stiftung).
Diese Aufzählung ist nicht abschliessend und gilt analog auch für stiftungsähnlich ausgestaltete liechtensteinische Anstalten und Treuunternehmen (Trust reg.).
Sind weder Stifter noch Begünstigte in der Schweiz ansässig, gelten gemäss der mit dem Fürstentum Liechtenstein am 18.05.2016 abgeschlossenen Verständigungsvereinbarung geringere Voraussetzungen für die Ansässigkeit der Stiftung:
Die Stiftung muss nach liechtensteinischem Steuergesetz als Steuersubjekt gelten und nicht ausschliesslich der Mindestertragssteuer unterliegen, und
es darf sich nicht um eine widerrufliche Vermögensstruktur handeln, deren Einkünfte nach liechtensteinischem Recht beim Errichter besteuert werden.
4.2.3. Steuerfolgen
Bei einer nicht kontrollierten und somit steuerlich anerkannten Stiftung gelten grundsätzlich die Ausführungen unter den Ziffern 2 und 3 dieser Weisung.
Nachfolgend sind diese Steuerfolgen übersichtsmässig aufgeführt:
Die Zuwendung des Stifters an die Stiftung unterliegt der Schenkungssteuer zum Maximalsatz (vgl. Ziff. 2).
Ausschüttungen aus der Stiftung unterliegen bei den Begünstigten der Einkommenssteuer. Handelt es sich bei der Ausschüttung um eine reine Unterstützungsleistung im Sinne von § 26 Abs. 1 Ziffer 7 StG bzw. Artikel 24 Bst. d DBG, ist diese hingegen steuerfrei (vgl. Ziff. 3).
Die Zuwendung einer Liegenschaft aus dem Stiftungsvermögen unterliegt der Handänderungssteuer (Rechtsverkehrssteuer).
Bei einer kontrollierten und somit steuerlich nicht anerkannten Stiftung ergeben sich die folgenden übersichtsmässig aufgeführten Steuerfolgen:
Weil sich der Stifter nicht endgültig seines Vermögens entledigt hat, sind ihm Vermögen wie Erträge steuerlich weiterhin zuzurechnen (transparente Besteuerung). Daraus folgt, dass die Zuwendung des Stifters an die kontrollierte Stiftung nicht der Schenkungssteuer unterliegt.
Zuwendungen an Drittpersonen unterliegen der Schenkungssteuer.
Die Zuwendung einer Liegenschaft aus dem Stiftungsvermögen unterliegt der Handänderungssteuer (Rechtsverkehrssteuer).
Im Todesfall gehört das Stiftungsvermögen zum Nachlass des Erblassers und unterliegt somit der Erbschaftssteuer. Kontrollierte Stiftungen können im Todesfall des Stifters zu einer nicht kontrollierten Stiftung mutieren, sofern die Erben nicht weiter Einfluss auf die Stiftung nehmen können.
Bei einer kontrollierten Stiftung ist zudem zu unterscheiden, ob der Stifter oder die Begünstigten die Kontrolle über das Vermögen ausüben. Verfügen die Begünstigten über die Verfügungsmacht, ist bereits bei der Errichtung von einem schenkungsweisen Übergang auszugehen.