StP 34 Nr. 13 Beiträge an die AHV/IV/EO/ALV (Säule 1) sowie an die berufliche Vorsorge (Säule 2)
1. Allgemeines
Die gemäss Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge werden von den Einkünften abgezogen (Art. 33 Abs. 1 Bst. d; § 34 Abs. 1 Ziff. 6 StG). Die Abzugsfähigkeit gilt für die periodischen Beiträge genauso wie für einmalige Einkaufsbeiträge (Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2. Aufl., Therwil/Basel 2019, Artikel 33 N 55). Sie gilt zudem gleichermassen für Beiträge an den obligatorischen oder überobligatorischen Bereich (Hunziker/Mayer-Knobel, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 3. Aufl., Basel 2017, Art. 33 DBG N 23).
Gemäss § 34 Ziffer 8 StG werden die Prämien und Beiträge für die Arbeitslosenversicherung (ALV) und für die obligatorische Unfallversicherung (BU/NBU) sowie gemäss der Erwerbsersatzordnung (EO) ebenfalls von den Einkünften abgezogen.
Die Beiträge an die AHV/IV/EO/ALV (Säule 1) und an die berufliche Vorsorgeeinrichtung (Säule 2) sind in der Regel im Nettolohn gemäss Lohnausweis bereits berücksichtigt und können daher nicht nochmals zum Abzug geltend gemacht werden. Die Beiträge an die AHV/IV/EO von nicht erwerbstätigen Steuerpflichtigen können dagegen in der Steuererklärung unter der Position „Weitere Abzüge“ zum Abzug gebracht werden.
BVG-konforme Beiträge des Versicherten für den Einkauf von Beitragsjahren in die berufliche Vorsorge (Säule 2) können grundsätzlich von den Einkünften abgezogen werden. Der Einkauf zur Rentenverbesserung ist dem Einkauf von Beitragsjahren gleichzusetzen. Diese Beiträge können in der Steuererklärung unter „Weitere Abzüge“ aufgeführt werden, soweit sie nicht bereits im Nettolohn berücksichtigt sind.
2. Begriff der Vorsorgeeinrichtung
Als Einrichtungen der beruflichen Vorsorge im Sinne von Artikel 33 Absatz 1 Bst. d bzw. § 34 Absatz 1 Ziffer 6 StG sind ausschliesslich Rechtsträger anzusehen, die der kollektiven beruflichen Vorsorge dienen.
In Abgrenzung zur privaten Vorsorge (3. Säule) sind für den gesamten Bereich der 2. Säule, sowohl für die obligatorische berufliche Vorsorge (Säule 2a) als auch für die so genannte weitergehende Vorsorge (Säule 2b) die Grundsätze der Angemessenheit, der Kollektivität, der Gleichbehandlung, der Planmässigkeit sowie des Versicherungsprinzips zu beachten (Artikel 1 Abs. 3 BVG i.V.m. Art. 1ff. BVV2).
Keine berufliche Vorsorge in diesem Sinn stellt das blosse Ansammeln eines den Vorsorgenehmern individuell zugeteilten Sparkapitals dar, das im Vorsorgefall ausbezahlt wird (ASA 71 384 ff.). Das in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte sogenannte Versicherungsprinzip, d.h. eine angemessene Absicherung der Risiken Tod und Invalidität, wurde in Artikel 1h BVV2 aufgenommen.
3. Einkauf von Beitragsjahren
3.1. Grundsätze
Der Einkauf ist auf die Leistung beschränkt, die eine versicherte Person erhalten würde, wenn sie während sämtlicher Jahre (vollständige Anzahl von Beitragsjahren) Beiträge auf der Grundlage des letzten massgebenden Lohnes geleistet hätte. Der massgebende Lohn darf nach den Grundsätzen der Angemessenheit, Kollektivität, Gleichbehandlung und Planmässigkeit nicht missbräuchlich festgesetzt werden.
Der Einkauf zur Rentenverbesserung wird dem Einkauf von Beitragsjahren gleichgesetzt. Auch eine Änderung (Erhöhung) des Beschäftigungsgrades berechtigt zum Einkauf bis zur Höhe der reglementarischen Leistung.
Die aus einem getätigten Einkauf von Beitragsjahren resultierenden Leistungen können gemäss Artikel 79b Absatz 3 BVG innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden (vgl. StP 34 Nr. 14 Einkauf Beitragsjahre in die berufliche Vorsorge und Kapitalbezug). Die Frist von drei Jahren beginnt vom Tag des Einkaufs an zu laufen.
3.2. Selbständigerwerbende
Den Selbständigerwerbenden wird der Abzug von Vorsorgebeiträgen nur gewährt, wenn sie sich der gleichen Vorsorgeeinrichtung wie ihr Personal oder allenfalls einer Vorsorgeeinrichtung des Berufsverbandes oder subsidiär bei der Auffangeinrichtung (Artikel 44 BVG) angeschlossen haben.
Andere als an diese Einrichtung bezahlte Prämien (z.B. für die individuelle Alters-, Hinterlassenen- und Invaliditätsvorsorge) können nicht als Beiträge an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge zum Abzug geltend gemacht werden.
Ein solcher Anschluss beruht auf dem Prinzip der Solidarität, das der kollektiven Berufsvorsorge zugrunde liegt, während dieser Gedanke beim individuellen Anschluss an eine Sammelstiftung nicht zum Tragen kommt. Schliessen sich Selbständigerwerbende einer solchen Sammelstiftung an (z.B. weil ihnen das „Leistungspaket“ der vorgenannten Einrichtungen nicht zusagt), so können sie die bezahlten Prämien nicht als 2. Säule-Beiträge abziehen.
3.3. Begrenzung der Einkaufsbeiträge
Die Vorsorgeeinrichtung darf gemäss Artikel 79b BVG den Einkauf höchstens bis zur Höhe der reglementarischen Leistungen ermöglichen. Gemäss Artikel 79c BVG ist der versicherbare Lohn auf höchstens den zehnfachen oberen Grenzbetrag nach Artikel 8 Absatz 1 BVG beschränkt (oberer Grenzbetrag ab 2012 Fr. 83 520).
Die Begrenzung des versicherbaren Lohnes oder des versicherbaren Einkommens gilt gemäss Artikel 60c BVV2 für die Gesamtheit aller Vorsorgeverhältnisse, die ein Versicherter bei einer oder mehreren Vorsorgeeinrichtungen hat.
Selbständig Erwerbenden, die bisher ihre Altersvorsorge im Rahmen der Säule 3a aufgebaut haben, wird das über den kumulierten "kleinen" Abzug hinausgehende Kapital der Säule 3a gemäss Artikel 60a Absatz 2 BVV2 als bereits vorhandenes Alterskapital bei der Bedarfsrechnung für einen Einkauf in die Säule 2 angerechnet.
Entsprechend reduziert sich der (zulässige) Höchstbetrag der Einkaufssumme. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat eine „Tabelle zur Berechnung des grösstmöglichen Säule 3a-Guthabens (Art. 7 Abs. 1 lit. a BVV3) nach Jahrgang“ erstellt.
Auch allfällig vorhandene Freizügigkeitsguthaben der Säule 2 reduzieren gemäss Artikel 60a Absatz 3 BVV 2 den Höchstbetrag der Einkaufssumme entsprechend (vgl. Ziffer 3.5 nachfolgend).
Die Begrenzung der Einkaufsmöglichkeiten gilt sowohl für die Säule 2a als auch die Säule 2b. Von der Begrenzung ausgenommen sind gemäss Artikel 79b Absatz 4 BVG Wiedereinkäufe im Falle der Ehescheidung oder der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft nach Artikel 22c FZG.
Für Personen, die aus dem Ausland zuziehen und die noch nie einer Vorsorgeeinrichtung in der Schweiz angehört haben, darf in den ersten fünf Jahren nach Eintritt in eine schweizerische Vorsorgeeinrichtung die jährliche Einkaufssumme 20 % des reglementarisch versicherten Lohnes nicht überschreiten (Art. 60b BVV 2). Diese Limite gilt auch für Einkäufe gemäss den Artikeln 6 und 12 FZG. Nach Ablauf der 5 Jahre muss die Vorsorgeeinrichtung dem Versicherten ermöglichen, sich in die vollen reglementarischen Leistungen einzukaufen.
3.4. Einkauf bei bestehenden Freizügigkeitskonti/-policen
Die versicherte Person ist gemäss Artikel 4 Absatz 2bis FZG dafür verantwortlich, dass bestehende Freizügigkeitsguthaben auf die neue Vorsorgeeinrichtung bei Eintritt überwiesen werden.
Wird nachträglich festgestellt, dass bei einem Einkauf Freizügigkeitsguthaben in der Berechnung der Einkaufssumme unberücksichtigt geblieben sind, erfolgt für die Jahre der BVG-Einkäufe ein Nachsteuerverfahren im Ausmass der Überfinanzierung.
3.5. Einkauf im Hinblick auf eine vorzeitige Pensionierung
Verschiedene Vorsorgereglemente ermöglichen den Einkauf im Hinblick auf eine vorzeitige Pensionierung. Das Bundesamt für Sozialversicherung toleriert diese Praxis. Daher werden die entsprechenden Einkaufsbeiträge auch als Abzüge anerkannt.
Lässt sich die versicherte Person in der Folge aber doch nicht vorzeitig pensionieren, muss die Vorsorgeeinrichtung sicherstellen, dass das reglementarische Leistungsziel höchstens um fünf Prozent überschritten wird (Art. 1b Abs.s 2 BVV2).
3.6. Einkauf nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters
Grundsätzlich maximal bis zum Erreichen des 70. Altersjahres können Einkäufe von Beitragsjahren getätigt werden. Voraussetzung ist, dass die bereits bestehende Vorsorge (Pensionskasse) weitergeführt wird und deren Reglement diese Möglichkeit vorsieht.
Vorgenommen werden können nur Einkäufe zur Deckung von Vorsorgelücken,
welche beim Erreichen des ordentlichen reglementarischen Rentenalters bereits bestanden haben.
3.7. Nicht BVG-konforme Einkäufe
Die Steuerverwaltung Thurgau erachtet Einkäufe von Beitragsjahren in Verbindung mit (vor oder nach Einkauf) zeitnaher Kapitalleistungen in der Regel als nicht BVG-konform. Die Weisung StP 34 Nr. 14 Einkauf Beitragsjahre in die berufliche Vorsorge und Kapitalbezug enthält zu diesem Sachverhalt detaillierte Ausführungen.
4. Vorsorgeentschädigungen an eidgenössische Parlamentarier
Die steuerliche Behandlung der Vorsorgeentschädigungen an eidgenössische Parlamentarier ist in der Steuerpraxis beschrieben unter StP 34 Nr. 18 Vorsorgeentschädigungen an Mitglieder der eidgenössischen Räte (Säule 2 und 3a).
5. Beiträge für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR)
Am 1. Juli 2003 trat der Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe in Kraft. Die FAR-Stiftung ist als BVG-Stiftung steuerbefreit. Die Beiträge bilden daher Vorsorge-Beiträge der zweiten Säule. Sofern diese Beiträge nicht bereits im Nettolohn berücksichtigt sind, können sie zusätzlich abgezogen werden.
6. Beiträge an die Familienausgleichskasse
Die Beiträge an die Familienausgleichskasse (FAK) sind in Artikel 33 Absatz 1 Bst. d bzw. § 34 Absatz 1 Ziffer 6 StG nicht ausdrücklich aufgeführt. Gemäss Praxis der Steuerverwaltung Thurgau werden von der steuerpflichtigen Person selbst getragene Beiträge grundsätzlich trotzdem zum Abzug zugelassen.
Bei Unselbständigerwerbenden mit Schweizer Arbeitgeber übernimmt der Arbeitgeber die FAK-Beiträge, weshalb sich hier ein Abzug erübrigt. Bei Selbständigerwerbenden gelten die FAK-Beiträge als geschäftsmässig begründeter Aufwand und sind somit im Geschäftsergebnis bereits berücksichtigt
Angestellte ohne (in der Schweiz) beitragspflichtige Arbeitgeber (ANobag), welche sich freiwillig der AHV unterstellen, haben nebst den AHV/IV/EO-Beiträgen auch FAK-Beiträge zu bezahlen. Der AHV/IV/EO-Beitragspflicht unterstehende nichterwerbstätige Personen haben ebenfalls FAK-Beiträge zu entrichten. Dies betrifft in der Schweiz wohnhafte Personen bis Alter 64 (Frau) bzw. Alter 65 (Mann). Solche selbst getragenen FAK-Beiträge können in der Steuererklärung unter der Position „Weitere Abzüge“ zum Abzug gebracht werden.
7. Freiwillige Versicherung
7.1 Freiwillige Versicherung gemäss Artikel 47 BVG
Die freiwillige Versicherung nach Artikel 47 BVG wird steuerrechtlich nur akzeptiert, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
die versicherte Person scheidet vor Erreichen des vorzeitigen Rücktrittsalters aus der obligatorischen Versicherung aus;
die versicherte Person will weiterhin am Erwerbsleben teilnehmen und beansprucht Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ein vorübergehender Arbeitsunterbruch ohne Bezug von Arbeitslosentaggeldern und damit ohne Einkommen ist beispielsweise infolge Vollzeitausbildung, Unfall, Krankheit oder Weltreise zulässig).
Soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, können die Beiträge maximal während zwei Jahren in Abzug gebracht werden.
Beispiel 1
Gemäss Reglement ist eine frühzeitige Pensionierung ab Alter 62 möglich. Das Arbeitsverhältnis wird im Alter 60 durch den Mitarbeiter gekündigt und die Altersleistungen sollen bis Alter 65 aufgeschoben werden.
Die Erwerbstätigkeit wurde endgültig aufgegeben und eine Weiterversicherung nach Art. 47 BVG ist nicht möglich.
Beispiel 2
Das Arbeitsverhältnis wird im Alter von 35 Jahren gekündigt und während 18 Monaten ein Studium absolviert. Die Weiterversicherung während des Studiums und bis zum erneuten Stellenantritt (maximal zwei Jahre) ist zulässig und die Beiträge sind abzugsberechtigt.
7.2 Freiwillige Versicherung gemäss Artikel 47a BVG
Gemäss Artikel 47a Absatz 1 BVG kann eine versicherte Person, die nach Vollendung des 58. Altersjahres aus der obligatorischen Versicherung ausscheidet, weil das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aufgelöst worden ist, die berufliche Vorsorge entweder nach Artikel 47 BVG weiterführen (siehe Ziffer 7.1) oder die Weiterführung nach Artikel 47a Absatz 2 bis 7 BVG "im bisherigen Umfang" bei ihrer bisherigen Vorsorgeeinrichtung verlangen.
Sind die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterführung nach Artikel 47a Absatz 2 bis 7 BVG gegeben, so sind die entsprechenden Beiträge ebenfalls steuerlich abzugsfähig.