StP 190 Nr. 1 Verzugszinsen
1. Allgemeines
Auf dem rechtskräftig veranlagten Steuerbetrag wird nach Ablauf der Zahlungsfrist, ungeachtet eines allfälligen Einsprache- oder Rechtsmittelverfahrens (gegen die Schlussrechnung), ein Verzugszins geschuldet (§ 190 StG).
Die Höhe des Verzugszinsfusses wie auch des Ausgleichs- (vgl. StP 189 Nr. 1 Ausgleichszinsen) oder Rückerstattungszinsfusses wird jährlich durch den Regierungsrat bestimmt (§ 191 StG).
Die pro Kalenderjahr jeweils geltenden Zinssätze sind aufgeführt in der Weisung StP 191 Nr. 1 Zinsen, Bezugslimiten.
2. Wann ist ein Verzugszins geschuldet?
Ein Verzugszins ist nur dann geschuldet, wenn innert der Zahlungsfrist von 30 Tagen nach Zustellung der Schlussrechnung die Steuerforderung nicht oder nicht vollumfänglich beglichen ist.
Die Schlussrechnung wird dem Steuerpflichtigen nach Rechtskraft der Veranlagung zugestellt. Bisher erfolgte Zahlungen werden angerechnet (§ 188a StG).
Betragen die Verzugszinsen weniger als Fr. 30, werden sie gemäss § 48 Absatz 4 StV nicht bezogen.
Beispiel (Kalenderjahr 2018):
Die Zustellung der Veranlagung 2017 erfolgt am 30.05.2018. Da keine Einsprache erfolgt, wird die Veranlagung am 29.06.2018 rechtskräftig. Am 11.07.2018 wird die Schlussrechnung zugestellt; eine noch offene Steuerforderung von Fr. 4'000 wird in Rechnung gestellt. Die 30-tägige Zahlungsfrist läuft am 10.08.2018 ab.
Der Steuerpflichtige zahlt jedoch erst am 29.11.2018 nach erfolgter Mahnung am Postschalter die Fr. 4'000 ein, somit 109 Tage verspätet. Der Verzugszins beträgt in diesem Fall Fr. 36.35 und wird zusätzlich vom Steuerpflichtigen bezogen.
3. Wann gilt eine Zahlung als erfüllt?
Gemäss Artikel 74 Absatz 2 Ziffer 2 OR sind Geldschulden am Wohnort oder Geschäftssitz des Gläubigers zu erbringen; Geldschulden sind also grundsätzlich sogenannte Bringschulden.
Nach BGE 119 II 234f. E. 2 gilt als rechtmässige Erfüllung im Sinne von Artikel 74 OR, wenn der Gläubiger über den geschuldeten Betrag verfügen kann. Der Gläubiger darf nicht schlechter gestellt sein als bei Barzahlung. Der Schuldner hat grundsätzlich dafür zu sorgen, dass das Geld rechtzeitig in den Verfügungsbereich des Gläubigers gelangt. Der entsprechende Überweisungsauftrag muss also frühzeitig genug erteilt werden. Eine am Abend des Verfalltages erteilte Postanweisung würde diesen Anforderungen nicht genügen.
Diese Rechtsprechung ist jedoch nur für das Privatrecht massgebend. Betreffend Erfüllungszeitpunkt im öffentlichen Recht gelten andere Grundsätze (BGE 118 Ia 11):
Eine Zahlung gilt schon dann als rechtzeitig erbracht, wenn sie eine der folgenden Bedingungen erfüllt:
die Rechnung spätestens am Verfalltag an einem Postschalter bar bezahlt wird;
ein Zahlungsauftrag betreffend Belastung eines Postkontos am Verfalltag der Schweizerischen Post übergeben wird;
die Überweisung durch eine Bank im Rahmen des Sammelauftragsdienstes spätestens am Verfalltag an die Schweizerische Post erfolgt ist, sofern in dieser Überweisung das Fälligkeitsdatum richtig bezeichnet wird.
Dieser Rechtsprechung hat sich ebenfalls das Obergericht des Kantons Thurgau angeschlossen (RBOG 1993 Nr. 16). Ausserdem stimmt sie nach wie vor weitgehend mit dem Regierungsratsbeschluss vom 16.07.1985 (RRB 1’276) überein.
Zu beachten gilt es jedoch, dass ein Grossteil der Rechtsprechung zum sogenannten Sammelauftragsdienst ergangen ist. Dagegen werden heute oft Online-Buchungen vorgenommen. Es gelten diesbezüglich jedoch die gleichen Grundsätze. Die Zahlung gilt dann als rechtzeitig geleistet, wenn die elektronischen Daten spätestens am letzten Tag der Zahlungsfrist der Post übergeben werden und andrerseits das eingesetzte Fälligkeitsdatum innert der Zahlungsfrist liegt (vgl. Urteil des Bger. vom 16. Januar 2001 in: Steuerrevue 46/2001, S. 211 E. 2a.).
Die Gutschrift auf dem Empfängerkonto ist bei einer Einzahlung auf das Postkonto der Bezugsstelle zur rechtzeitigen Erfüllung somit nicht nötig. Es genügt, dass die Zahlung innert Frist in den Empfangsbereich der Post gelangt ist.
Kurz gesagt also: Das Risiko des Bankweges trägt der Schuldner, das Risiko des Postweges der Gläubiger.
Wird die Zahlung auf ein Bankkonto der Bezugsstelle überwiesen, so gelten wieder die privatrechtlichen Grundsätze, d.h., die Zahlung ist erst dann rechtzeitig erfüllt, wenn der Gläubiger über den geschuldeten Betrag verfügen kann. Die geschilderten Grundsätze bzgl. Erfüllungszeitpunkt im öffentlichen Recht gelten demgemäss nur bei Zahlungen auf ein Postkonto des Gläubigers.