StP 157 Nr. 1 Weitere Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen
1. Weitere Mitwirkung
§ 157 Absatz 1 StG zählt weitere Mitwirkungspflichten auf, die in einer mündlichen oder schriftlichen Auskunftspflicht gegenüber der Veranlagungsbehörde und Pflicht zur Vorlage von Beweismitteln bestehen. Einige davon werden exemplarisch aufgeführt (Geschäftsbücher, Belege, weitere Bescheinigungen, Urkunden über den Geschäftsverkehr etc.).
Diese Mitwirkungspflichten stehen unter dem Vorbehalt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (Zweifel/Casanova/Beusch/Hunziker, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht Direkte Steuern, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018, § 16 N 42). Die Verhältnismässigkeit richtet sich nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls. In allgemeiner Weise kann festgehalten werden, dass die verlangten Auskünfte bzw. die Vorlage von Beweismitteln geeignet, notwendig und die Wahrnehmung für die steuerpflichtige Person zumutbar sein muss (Zweifel/Casanova/Beusch/Hunziker, § 16 N 42).
Erweist sich die verlangte Mitwirkung als verhältnismässig, unterlässt die steuerpflichtige Person aber trotz Mahnung deren Wahrnehmung, kann gestützt auf § 207 Absatz 1 Ziffer 1 StG eine Busse ausgesprochen werden. Besteht ein Untersuchungsnotstand, kann eine Ermessensveranlagung vorgenommen werden. Sowohl auf die Busse, als auch auf die Ermessensveranlagung muss in der Mahnung hingewiesen werden.
2. Verfahrenspflichten nach Artikel 42 Absatz 1 StHG
Gemäss Artikel 42 Absatz 1 StHG hat die steuerpflichtige Person alles zu tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Der Anwendungsbereich der damit statuierten Mitwirkung ist sehr breit, wird allerdings auch vom Verhältnismässigkeitsgrundsatz begrenzt (Zweifel/Hunziker, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Basler Kommentar zum StHG, 4. Aufl., Basel 2022, Art. 42 N 4 ). Aus dieser Bestimmung wird auch eine Garantenpflicht der steuerpflichtigen Person für die vollständige und richtige Feststellung der für seine Veranlagung massgebenden tatsächlichen Verhältnisse abgeleitet (Zweifel/ Hunziker, Art. 42 N 3a). Artikel 42 Absatz 1 StHG findet betreffend die Staats- und Gemeindesteuern direkt Anwendung, da eine gleichlautende Bestimmung im kantonalen Steuergesetz fehlt.
Es sind sämtliche Mitwirkungshandlungen zu erbringen, welche im Interesse einer vollständigen und richtigen Veranlagung geeignet, erforderlich und dem Pflichtigen zumutbar sind. Die Entscheidung darüber, welche Auskünfte zu erteilen sind, liegt dabei grundsätzlich im Ermessen der Steuerbehörde (BGer 2C_201/2014, E. 6.4 m.w.H.).
Die gesammelten rechtserheblichen Tatsachen unterliegen einer (freien) Beweiswürdigung durch die Veranlagungs- oder Gerichtsbehörde. Im bundesgerichtlichen Verfahren handelt es sich dabei um eine Tatfrage. Rechtsfrage ist hingegen, ob die Behörde das treffende Beweismass hat walten lassen.
Gemeinhin ist der Beweis im ordentlichen Verfahren erst erbracht, wenn die Behörde nach erfolgter Beweiswürdigung und anhand objektiver Gesichtspunkte vom Vorliegen eines rechtserheblichen Sachumstandes überzeugt ist ("Regelbeweismass der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit"). Die erforderliche Überzeugung kann auf Indizien beruhen und bedingt keinen direkten Beweis (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.3 m.w.H.).
Für den Fall, dass rechtserhebliche Tatsachen auch nach erfolgter Beweiswürdigung als unerwiesen zu gelten haben, stellt sich die Rechtsfrage nach der (objektiven) Beweislast (BGE 130 III 321 E. 5). Im Steuerrecht ist bei Beweislosigkeit gemäss der Normentheorie zu verfahren: Ihr zufolge trägt die Veranlagungsbehörde grundsätzlich die Beweislast für die steuerbegründenden und -erhöhenden, die steuerpflichtige Person jene für die steueraufhebenden und -mindernden Tatsachen (BGE 140 II 248 E. 3.5). Vorbehalten bleiben Ausnahmen aufgrund der mitwirkungsorientierten Beweislastverteilung, die namentlich im Bereich geldwerter Leistungen von Belang ist (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.4, BGer 2C_483/2016, E. 6.1).
3. Grenzüberschreitende Rechtsbeziehungen insbesondere zu sogenannten Steueroasen
Liegen grenzüberschreitende Rechtsbeziehungen zu Jurisdiktionen (Rechtsprechungen) vor, welche die Bildung von fiktiven Domizilen begünstigen oder deren DBA dem heutigen OECD-Standard zur Informationshilfe noch nicht genügen, führt dies nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu einer besonders qualifizierten Auskunfts- bzw. Mitwirkungspflicht (BGer 2C_109/2011, E. 5, BGer 2C_201/2014, E. 8.2; BGer 2C_16/2015, E. 2.5.2.). In deren Rahmen sind beispielsweise die wirtschaftlich Berechtigten an dem in die grenzüberschreitende Rechtsbeziehung involvierten Rechtsgebilde ausländischen Rechts offenzulegen.
4. Mitwirkungsorientierte Beweislast
Grundsätzlich sind steuerbegründende Tatsachen von der Veranlagungsbehörde nachzuweisen. Hingegen sind steuermindernde Tatsachen von der steuerpflichtigen Person nachzuweisen (BGE 140 II 248).
Betreffend verdeckte Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften an deren Gesellschafter gilt folgendes:
Auf Stufe der Gesellschaft hat die Veranlagungsbehörde nachzuweisen, dass eine Leistung erbracht worden ist, der keine angemessene oder keine Gegenleistung gegenübersteht, weshalb sie dem Drittvergleich nicht standhält (BGE 138 II 57). Ist das entsprechende Missverhältnis nachgewiesen, gilt die natürliche Vermutung, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Beteiligungsinhaber ausgerichtet worden ist. Dies gilt insbesondere bei Zahlungen der Gesellschaft, die weder verbucht noch überhaupt belegt sind (BGer 2C_797/2012).
Kann die Gesellschaft nicht nachweisen, dass der Leistungsaustausch einem Drittvergleich genügt, hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, welche in einer steuerlichen Korrektur des steuerbaren Reingewinns besteht (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.5.).
Kann die vorstehend angeführte natürliche Vermutung nicht entkräftet werden, entfaltet sie insofern eine gewisse Zweitwirkung auf Stufe der Gesellschafter. Die auf Ebene der Gesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierte Leistung gelangt beim Beteiligungsinhaber grundsätzlich als geldwerter Vorteil im Sinn von Artikel 20 Absatz 1 Bst. c DBG zur Besteuerung. Ein „Aufrechnungsautomatismus“ besteht aber nicht. Wohl ist die bei der Gesellschaft rechtskräftig festgesetzte verdeckte Gewinnausschüttung als gewichtiges Indiz zu betrachten, welches bei Veranlagung des Gesellschafters zu berücksichtigen ist (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.7.).
Das rechtskräftige Dispositiv der entsprechenden Veranlagung der Gesellschaft gilt nur für diese. Da es sich bei Gesellschaft und Beteiligungsinhaber um zwei voneinander unabhängige Rechts- und Steuersubjekte handelt, ist eine erneute rechtliche Beurteilung auf Gesellschafterebene unerlässlich (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.7.).
Es ist je nach gesellschaftsrechtlicher Stellung des begünstigten Beteiligungsinhabers innerhalb der Gesellschaft zu differenzieren: Ist er gleichzeitig Gesellschaftsorgan, hat er den Bestand und die Höhe der von der Veranlagungsbehörde zu Grunde gelegten geldwerten Leistung detailliert zu bestreiten. Unterlässt er dies oder beschränkt er sich auf pauschale Bestreitungen, kann die Veranlagungsbehörde die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene des Gesellschafters besteuern (BGer 2C_16/2015, E. 2.5.8.).