StP 147 Nr. 1 Datenschutz
1. Allgemeines
Das Steuergeheimnis ist im kantonalen Steuergesetz nicht explizit verankert. Es ergibt sich aus Artikel 110 Absatz 1 DBG bzw. Artikel 39 Absatz 1 StHG. Auf kantonaler Ebene statuiert § 76 Absatz 1 der Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung des Staatspersonals (RB 177.112) ein Amtsgeheimnis.
Aus dem Steuergeheimnis folgt, dass ausser der steuerpflichtigen Person selbst bzw. ihrer Bevollmächtigten und ihren Erben grundsätzlich keine Informationen aus den Steuerakten weitergegeben werden dürfen.
Aus wichtigen Gründen kann das Departement für Finanzen und Soziales (DFS) gemäss § 147 Absatz 1 StG öffentlichen Organen Auskünfte aus den Steuerakten erteilen oder die Veranlagungsbehörde dazu ermächtigen. § 147 StG wird in den §§ 35 und 35a StV weiter konkretisiert.
2. Einsichtsrecht von Privatpersonen
Berechtigt zur Einsichtnahme in seine Steuerakten ist nur die steuerpflichtige Person selbst sowie ihr Vertreter. Bei gemeinsam steuerpflichtigen Personen ist jede Person auch alleine einsichtsberechtigt (Ehegatten, Partnerinnen/Partner in eingetragener Partnerschaft).
Die nicht von der steuerpflichtigen Person eingereichten Akten stehen ihr ebenfalls zur Einsicht offen, sofern die Ermittlung des Sachverhalts abgeschlossen ist und soweit nicht öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (§ 36 StV). Es ist das Recht der steuerpflichtigen Person auf umfassende Akteneinsicht gegen öffentliche oder private Interessen abzuwägen. Die Einsichtnahme in Denunziationen beispielsweise wird in der Regel verweigert (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, N 33 zu § 124).
Auch Erben haben grundsätzlich dasselbe Einsichtsrecht wie die steuerpflichtige Person, wenn sie in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten. Vom Einsichtsrecht ausgeschlossen sind dagegen Vermächtnisnehmer und Personen, die mit dem Erblasser einen Erbverzichtsvertrag abgeschlossen haben, die durch Verfügung von Todes wegen vom Erbrecht ausgeschlossen sind, oder die nach dem Tod des Erblassers die Erbschaft ausschlagen. Deshalb hat sich eine erbberechtigte Person, die Auskunft verlangt, als solche auszuweisen, z.B. mit einer Erbbescheinigung (Richner/ Frei/Kaufmann/Rohner, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 4. Aufl., Zürich 2021, § 124 N 25).
Aufgrund des Datenschutzgesetzes (RB 170.7), welches ergänzend zur Anwendung kommt, steht unbeteiligten Dritten kein Einsichtsrecht zu, auch nicht bei Geltendmachung eines begründeten Interesses.
3. Einsichtsrecht von öffentlichen Organen
3.1. Einsichtsrecht aufgrund Ermächtigung oder Weisung des Departementes
3.1.1. Allgemeines
Aus wichtigen Gründen kann das Departement für Finanzen und Soziales (DFS) öffentlichen Organen Auskünfte aus den Steuerakten erteilen.
Ein wichtiger Grund gemäss § 147 Absatz 1 StG liegt gemäss § 35 Absatz 1 StV vor, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Auskunft über die Steuerdaten besteht, was laut § 35 Absatz 2 StV zu bejahen ist, wenn die Auskunft über die Steuerdaten für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe notwendig ist, nicht auf andere Weise beschafft werden kann und keinen unverhältnismässigen Eingriff in die Rechte des Steuerpflichtigen darstellt. Betreffend Verfahren wird auf Ziffer 3.1.2. verwiesen.
Der Regierungsrat oder das Departement für Finanzen und Soziales können für bestimmte Auskunftskategorien gestützt auf § 147 Absatz 2 StG generelle Ermächtigungen erteilen. Von dieser Kompetenz wurde rege Gebrauch gemacht, wovon die Hinweise in Ziffer 5 auf die entsprechenden Weisungen des DFS zeugen.
Auskünfte an ausserkantonale Behörden können nur dann erteilt werden, sofern mit den betreffenden Kantonen Gegenrechtsvereinbarungen geschlossen worden sind (§ 35 Abs. 3 StV). Betroffen von dieser Regelung sind vor allem ausserkantonale Fürsorgebehörden oder Stipendienstellen.
3.1.2. Verfahren
Gesuche um Auskunftserteilung oder Amtshilfe sind gemäss § 35a Absatz 1 StV begründet und unter Angabe von Zweck und Umfang des Begehrens sowie seiner Rechtsgrundlage beim Departement für Finanzen und Soziales, Generalsekretariat, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld, einzureichen.
Bestehen für die Auskunftserteilung explizite gesetzliche oder rechtliche Grundlagen (vgl. Ziff. 3.2 und 5), eine generelle Ermächtigung gemäss § 147 Absatz 2 StG (vgl. Ziff. 5) oder liegt die Einwilligung der steuerpflichtigen Person vor, kann die Veranlagungs- oder Bezugsbehörde die Steuerauskunft direkt erteilen (§ 35a Abs. 2 StV).
3.2. Einsichtsrecht aufgrund gesetzlicher Auskunftspflichten
Keiner besonderen Zustimmung durch das DFS bedarf es, wenn das Bundesrecht oder das kantonale Recht eine Auskunftspflicht vorschreibt (siehe auch § 35a Abs. 2 StV). Eine vollumfängliche Auskunftspflicht im Sinn einer gegenseitigen Amtshilfe besteht unter schweizerischen Steuerbehörden (Art. 111 Abs. 1 DBG bzw. Art. 39 Abs. 2 StHG). Eine Auskunftspflicht ist z.B. auch in Artikel 91 Absatz 5 SchKG bzw. Artikel 222 Absatz 5 SchKG vorgesehen. Demnach sind im Betreibungs- und Konkursverfahren die Behörden im gleichen Umfang auskunftspflichtig wie der Schuldner. Diese Bestimmungen richten sich insbesondere auch an die Steuerbehörden.
Das Gesetz beschränkt die Auskunftspflicht der Behörden nicht, d.h. sie ist umfassend, weil es an einem rechtlich geschützten Interesse des betriebenen Schuldners an einer Einschränkung der Auskunftspflicht fehlt (Lebrecht, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum SchKG, Art. 1-158 SchKG, 2. Aufl., Basel 2010, Art. 91 N 31). Dabei ist es nicht erforderlich, dass für die zu erlangende Auskunft noch ein zusätzliches Verwaltungsverfahren durchschritten wird (Lebrecht, a.a.O., Art. 91 N 36 mit Verweisen).
Weitere Beispiele finden sich im Bereich der Sozialversicherung (Art. 32 Abs. 1 ATSG und Art. 85a BVG), wonach die Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden des Bundes, der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden sowie die Träger der anderen Sozialversicherungszweige den mit der Durchführung der einzelnen Gesetze betrauten Organen die Auskünfte und Unterlagen herauszugeben haben, damit diese die nach Gesetz übertragenen Aufgaben erfüllen können (z.B. zur Festsetzung, Änderung oder Rückforderung von Leistungen). Eine ähnliche Regelung findet sich im Bundesgesetz über den Wehrpflichtersatz (Art. 24 WPEG, SR 661).
Ein Beispiel aus dem kantonalen Recht findet sich in § 20a Absatz 2 der Stipendienverordnung, wonach die Gemeindesteuerämter dem Amt für Mittel- und Hochschulen (zuständiges Amt für den Vollzug der Verordnung) Auskunft über sämtliche für die Ermittlung von Stipendienansprüchen notwendigen Steuerdaten gemäss den Veranlagungsprotokollen für die direkte Bundessteuer sowie die Staats- und Gemeindesteuer zu erteilen haben.
Auch das Zollgesetz (Art. 141b Abs. 2) verpflichtet die Steuerbehörden zur Auskunftserteilung, sofern die Auskünfte für den Vollzug der durch die Zollverwaltung anzuwendenden Gesetze notwendig sind.
4. Herausgabe von Originalakten
Gemäss § 14 Absatz 1 Satz 2 VRG können Behörden sowie den nach dem BGFA (SR 935.61) zugelassenen Anwälten die Akten zugestellt werden. In BGer 2C_181,182, 184/2019 hat das Bundesgericht allerdings festgehalten, dass kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Aktenzustellung an einen im Anwaltsregister eingetragenen Anwalt im Zusammenhang mit einem Akteneinsichtsgesuch besteht (E. 2.2.7.). Bei umfangreichen Akten ist daher das Einsichtsrecht auch vor Ort wahrzunehmen.
Physisch eingereichte Steuerakten werden im Kanton Thurgau gestützt auf § 153d StG digitalisiert und nach der elektronischen Erfassung vernichtet. Aus diesem Grund kann die Akteneinsicht nurmehr in die digitalisierten Akten, die im Weiteren gemäss § 153c StG dieselbe Beweiskraft wie physische Akten haben, gewährt werden. Daher erfolgt bei Akteneinsichtsgesuchen ein Ausdruck der digitalisierten Akten.
5. Synoptische Darstellung betreffend Auskunftsermächtigung
147_5_Synoptische_Darstellung_Auskunftsermächtigung_V2023.07.pdf